Indigene im Cauca

Indigene im Cauca

Indigene Widerstandsbewegungen im Cauca

Antonia Polheim, Maren Schumann, Nadine Boehnert

Geschichte des Widerstandes

Abb. 1: Somos Guerreros milenarios (Wir sind tausendjährige Krieger). Die Farben des Widerstandes: Nach Angaben der besuchten Nasa-Gemeinschaft steht die Farbe Rot für den Kampf und das Blut, und die Farbe Grün für die Landschaft und Ländereien. (Eigene Aufnahme)

Der Widerstand der Indigenen in Kolumbien hat mit über 500 Jahren eine lange Geschichte der Unterdrückung, Marginalisierung und Verfolgung vom Staat und anderen mächtigen Gesellschaftsgruppen. Der Anfang des Widerstandes wird mit dem Beginn der Kolonialherrschaft datiert. Die Invasion der spanischen Krone 1535 zwang die Indigenen sich zur Wehr zu setzen, da ihre Territorien und ihr eigenes Wohl in Gefahr war (vgl. Summereder 2012: 36). Im Zuge der Kolonialherrschaft und dem zunehmenden Vordringen ins Landesinnere, in denen die Indigenen lebten, versuchten die Kolonialist*innen den Indigenen ihre eigenen Werte, Sprachen und Religionen aufzuzwingen (vgl. Lara 2019: 11). Wie in vielen anderen Ländern führte die Besetzung durch eine Kolonialherrschaft, insbesondere im Landesinneren, auch in Kolumbien zu einem hohen Verlust der einheimischen Bevölkerung. Krankheiten, aber auch gezielte Auslöschung der indigenen Bevölkerung dezimierte diese radikal (vgl. Summereder 2012: 36). Der Widerstand der Indigenen war im Laufe der Kolonialherrschaft jedoch nicht immer gleich, sondern veränderte sich. Nach dem zunächst gewaltvollen zur Wehr setzen änderte sich im 17. Jahrhundert die Strategie unter anderem durch Juan Tama de Estrella. Er war einer der wichtigsten Kämpfer des gesamten Volkes Nasa zu der Zeit und ist auch heute noch bekannt. Außerdem stärkte er das Bewusstsein der Nasa für ihre Kultur und Traditionen, da er die Wichtigkeit der Territorien für die Nasa immer wieder hervorhob (vgl. Bonilla 2015: 25). Dieses Bewusstsein führte zu einem Wechsel von Gewalt hin zur Politik. So wählte er “den Dialog mit der spanischen Krone als Überlebensstrategie” (vgl. Summereder 2012: 37). Unzählige Verhandlungen, welche er führte, trugen unter anderem dazu bei, dass die traditionellen Landtitel der resguardos anerkannt wurden. Die “Gesetze des Tama”, welche er vor der spanischen Krone diskutierte, sind bis heute noch manifestiert (vgl. ebd. 37). In diesen “Gesetzen des Tama” steht unter anderem, dass das Territorium der Nasa immer das eigene bleiben soll und verhindert werden soll, dass andere dies in die Hände bekommen (vgl. Bonilla 2015: 28). Heute gelten diese Gesetze eher als Rat zum Fortbestand der Verteidigung ihres Territoriums und ihrer Werte. Nach den Unabhängigkeitskämpfen erlangte Kolumbien 1819 die Unabhängigkeit von Spanien. Trotzdem endete die Unterdrückung der Indigenen nicht und koloniale Praktiken der Unterdrückung wurden weitergeführt und Indigene diskriminiert.

Anfang des 20. Jahrhunderts prägte Manuel Quintín Lame Chantre fundamental die indigenen Widerstandskämpfe. Er gilt bis heute noch als einer der größten Vorkämpfer für den indigenen Widerstand. Gegen die Unterdrückung durch Großgrundbesitzer*innen mobilisierte er indigene Gruppen, um gemeinsam Widerstand zu leisten und Ländereien zu besetzen (vgl. Mäusezahl 2019: 13). Er unterstützte die Gruppen im Kampf für die indigenen Rechte und bereitete sie auf Auseinandersetzungen mit dem Staat vor (vgl. Summereder 2012: 41). Außerdem half er den Indigenen ihre eigenen Lebens- und Organisationsstrukturen aufrechtzuerhalten (vgl. Mäusezahl 2019: 13). Die“Gesetze von Tama”, welche für die indigene Bevölkerung aufgrund der fehlenden Lesekompetenz unzugänglich waren, wurden durch Quintín, welcher der spanischen Sprache mächtig war, erneut bestätigt. Die Gesetze bildeten die Grundlage der folgenden Kämpfe, die die Wiederaneignung der traditionellen territorialen Gebiete anstreben (vgl. ebd. 2012: 41). Die Bewegung änderte ihre Strategie unter Lame und nutze nun mehr politische Mittel, wie Klagen vor Gericht und Beschwerden in politischen Institutionen (vgl. Mäusezahl 2019: 13). Trotz der Repressionen gegen diese Aufstandsbewegung blieben die Ideen von Lame in ihrem Kampf enthalten (vgl. Drexler 2010: 36).  Auch in den Jahren danach kam es weiterhin zur Unterdrückung durch unterschiedliche Akteure: Dem Staat, anderen Gesellschaftsgruppen und den Paramilitärs. Bis heute gibt es aktive Bewegungen, die vielfältige Ziele anstreben und unterschiedliche Formen des Protestes annehmen. Bekannte Mobilisierungsformen der Indigenen sind beispielsweise die Liberación de la madre tierra und die Minga, welche wir besuchen durften.

Die Nasa

Das Wort Nasa (auch Paez), ist ein Begriff, für die Menschen, Pflanzen, Tiere und die spirituelle Welt. Es leben rund 200.000 Nasa in Kolumbien, wobei die meisten von ihnen im Andenraum im Bundesstaat Cauca leben (vgl. Summereder 2012: 17). Sie leben heute in sogenannten resguardos, welche ursprünglich aus der Kolonialzeit stammen. Dort wurden sie von den Spaniern als Orte gegründet, um die Indigenen kontrollieren zu können. Heute steht der Begriff resguardos aber für eine Gemeinschaft, in der sie selbstverwaltet leben (ebd. 2012: 9f). Die Ernährungssouveränität wird durch den eigenen Anbau von Lebensmitteln versucht herzustellen (vgl. Drexler 2010: 26).  In den resguardos streben sie nach Harmonie, Kollektivität und Autonomie gegenüber dem Staat (vgl. Summereder 2012: 31).  Das Leben der Nasa ist konsensorientiert, basierend auf dem Austausch von Waren wie Lebensmitteln, Ideen und Werten und widersetzt sich somit der individuellen Akkumulation von Kapital. Die individualistischen Weltbilder des Westens und dessen ökonomisches Modell in der Globalisierung lehnen sie somit ab (vgl. ebd. 2012: 21). Ihr Weltbild ist die Grundlage des Widerstandes, sowohl in der Vergangenheit als auch heute. “Widerstand bedeutet, sich auf organisierte Art und Weise zu weigern, die Anweisungen zu befolgen, die gegen die Natur gerichtet sind” (Indigener der Nasa Húber Castro Caliz 2019).

In der Arbeit von Summereder (2012) hat sie nach Guerrero die drei Bereiche des aktuellen zivilen Widerstandes der Nasa zusammengefasst: “Widerstand gegenüber einem ungerechten Gesetz oder einer rechtlichen Ordnung; Widerstand gegen eine Regierung oder einen Staat, der systematisch Menschenrechte verletzt; Widerstand gegen eine Macht von außen, die gegen Souveränität, Unabhängigkeit und freie Bestimmung vorgeht. Die Macht muss nicht militärisch sein, sondern kann auch politisch, ökonomisch oder kulturell sein” (Summereder 2012: 21). Aufgrund der täglichen Repression haben sich die Nasa dazu entschieden, ihren Widerstand friedlich zu leisten, Formen der Gewalt abzulehnen und stattdessen Lösungen auf dem politischen Wege zu finden (ebd. 2012: 21f).  Gemeinsam kämpfen sie für verschiedene Sachen: Wasser, Ernährungssouveränität, Land, Menschenrechte und gegen die Ausbeutung des Landes und der natürlichen Ressourcen. “Für sie ist es offensichtlich, dass das ökonomische System des Kapitalismus den Planeten vernichtet. In seinem Streben nach Profitakkumulation zerstört er die Natur und macht sie zur Ware, so dass der Boden zerstört wird, die Ressourcen zur Neige gehen und sich das Klima wandelt” (Lara 2019: 12). Aufgrund anhaltenden Widerstands feiert die Bewegung auch Erfolge, insbesondere durch die Gründung verschiedener Organisationen.

Organisation der Indigenen

Der Consejo Regional Indigena del Cauca (CRIC) wurde am 24. Februar 1971 in Toribio gegründet. Die CRIC ist die erste indigene Organisation Kolumbiens, an derer Gründung sich später andere indigene Organisationen orientiert haben. Der Indigenenrat der CRIC entwickelte einen Arbeitsplan mit mittlerweile neun Punkten, die teilweise schon von Juan Tama publiziert wurden. Diese sind die Zurückeroberung des Landes, die Ausweitung der resguardos, die Verstärkung der cabildos indigenas (Organe der örtlichen Selbstverwaltung), das Beenden der Landpachtzahlung, die Bekanntmachung und gerechte Umsetzung der Rechte für die Indigenen, die Verteidigung der indigenen Geschichte, Sprache und Bräuche, das Einsetzen indigener Professor*innen, die Verstärkung der gemeinschaftlichen Betriebe und die Verteidigung der natürlichen Ressourcen der indigenen Territorien (vgl. Summereder 2012: 42f.). Durch die Gründung der CRIC konnten klare Strukturen zur Vernetzung der Indigenen geschaffen werden, durch welche der Prozess der Widererlangung ethnischer und kultureller Identität eine starke Basis hat (vgl. Bonami 2007: 16). Zudem entstanden sieben große lokale Projekte in den comunidades im Nordcauca. Daraus wurde 1994 in Absprache mit den cabildos und den Vertreter*innen der Projekte die Asociacion de Cabildos Indigenas del Norte del Cauca (ACIN) gegründet. Die ACIN hat ihren Sitz im Norden des Caucas, in Santander de Quilichao. Es werden 14 resguardos und 16 cabildos indigenas unter der ACIN zusammengefasst. Die ACIN arbeitet an dem kollektiven Traum, dem Plan de vida. Der Plan de vida ist ein Konzept, welches „die Harmonie zwischen allen Lebewesen und ein Leben in Frieden und Würde beinhaltet“ (vgl. Summereder 2012: 44f). Dazu werden auf Kongressen und Mingas (siehe Minga) Entscheidungen getroffen, Informationen bekannt gegeben und anstehende Aufgaben verteilt. Dieses Vorgehen ist als friedlicher Widerstand der nördlichen Cauca-Region bekannt, auch wenn er stets durch bewaffnete Konflikte der Region gefährdet ist. Die ACIN ist eine direkte Anlaufstelle der Nasa im Norden des Caucas, da durch diese eine spezifische Auseinandersetzung mit diversen Bereichen und Problembearbeitungen ermöglicht wird. Zudem ist die ACIN der CRIC direkt unterstellt, um deren Forderungen umsetzen zu können (vgl. ebd. 2012: 44f.).

Die Verfassung von 1991

In die Verfassung von 1991 wurden erstmals die Rechte von indigenen Völkern und Afrokolumbianer*innen aufgenommen. Zudem waren drei Vertreter*innen indigener Völker an diesem konstitutionellen Prozess beteiligt, was zuvor noch nicht der Fall war. Zu diesen drei Vertreter*innen zählten ein/eine Vertreter*in der Organization Nacional Indigena de Colombia (ONIC), ein/eine Vertreter*in der Alianza Indigena de Colombia (AICO) und ein/eine Vertreter*in der CRIC. In dieser Verfassung wurde auf Forderungen der indigenen Völker eingegangen und auf Rechte, für die sie sich seit über 500 Jahren eingesetzt hatten (vgl. Summereder 2012: 48f.). Eine bedeutende Folge der Konstitution ist es, dass die Indigenen als erste Siedler*innen anerkannt und nicht mehr ignoriert werden (vgl. ebd. 2012: 51).

Folgende Ziele wurden unter anderem in die Konstitution vom 4. Juli 1991 gesetzt:

  • „Das Recht darauf, als Völker mit eigener Kultur in einem als pluriethnisch und multikulturell anerkannten Land zu existieren und anders sein [..];
  • Das Recht auf territoriale Autonomie mit der Konvertierung der indigenen Territorien in territorialen indigenen Entitäten [..];
  • Das Recht auf politisch-administrative Autonomie mit eigenen Autoritäten [..];
  • Das Recht auf umweltökonomische Autonomie mit Politiken und Plänen eigener Entwicklung [..];
  • Das Recht auf juristische Autonomie eigener Rechtsprechung [..];
  • Das Recht auf kulturelle- und Bildungsautonomie [..];“ (Verfassung 1991; 2012: 49).

Zur gelingenden Umsetzung dieser niedergeschriebenen Verfassung setzte die CRIC zunächst die Bevölkerung über die neu erlangten Rechte in Kenntnis, um daraufhin Gesundheits-, Bildungs- und Fortbildungsprojekte zu bilden, mit denen sie vor dem Staat vertreten seien konnten. Darauf aufbauend wurden Senatoren*innen, Vertreter*innen der Kammer, Bürgermeister*innen, Abgeordnete und Stadträte*innen gewählt. 2000 wurde Taita Floro Tunubala als erster Indigener Lateinamerikas für zwei Jahre zum Landrat gewählt (vgl. ebd. 2012: 50). Seitens der Regierung blieben die unterzeichneten rechtlichen Abkommen jedoch meist unerfüllt. Daraufhin organisierten die Indigenen des Cauca im resguardo La Maria 1999 eine Mobilisierung, bei der sich tausende von Indigenen für 11 Tage versammelten und die Panamericana blockierten. Die Blockade wurde aufgelöst, als der Vizeminister das Dekret 982 (Vereinbarung über Investierungen in Territorium, Umwelt, Gesundheit, Bildung) unterzeichnete, was seit 10 Jahren seitens der Regierung unerfüllt geblieben war (vgl. ebd. 2012: 50f.). Ein wichtiger Faktor der Verfassung war die Gegebenheit, das Indigene ihre Rechte gegenüber dem Staat durch legale Instrumente einfordern konnten, wodurch der erste Schritt Richtung Partizipation geschaffen wurde. Besonders die Tutelaklage, welche das Recht bestimmt, eine einstweilige Verfügung einzulegen, ist für die indigenen Völker von Bedeutung. Dadurch wird sichergestellt, dass sie vor dem Realisieren von Projekten auf ihren Territorien konsultiert werden (vgl. ebd. 2012: 51).

Die Liberación de la Madre Tierra

Im Zuge unserer Exkursion durften wir die indigene Bewegung Liberación de la Madre Tierra (Befreiung der Mutter Erde) der indigenen Gemeinschaft der Nasa besuchen. Die Bewegung versteht sich als antikapitalistisch und kämpft vor allem gegen die monokulturelle Bewirtschaftung des Landes durch Großkonzerne im Norden des Cauca. Das zentrale Ziel der Bewegung ist die Enteignung der Agrarflächen von den Konzernen, die auf diesen großflächig Zuckerrohrmonokulturen für die Weiterverarbeitung und die Produktion von Agrosprit anbauen (vgl. anonymisierte Liberadora 2019: 18). Der Name der Bewegung sowie deren Grundidee gründet auf der kosmologischen Vorstellung der Erde als Mutter aller Menschen, die es von der profitorientierten Nutzung zu befreien gilt. In einem Interview von Ortíz und Schüller mit einer Aktivistin der Bewegung beschreibt diese die Liberación als Angriff gegen den Kapitalismus und gegen eine Versklavung der Mutter Erde durch die Konzerne (vgl. ebd. 18). Es geht um eine Befreiung des Landes, des Wassers und der Luft, die durch die Agrarwirtschaft mit Pestiziden belastet sind (vgl. ebd. 19). Diese wirke sich nach Angaben der von uns besuchten Befreier*innen nicht nur negativ auf die Natur, sondern auch auf alle Menschen aus. Durch den Protest soll das Gleichgewicht zwischen der Mutter Erde und deren Bewohner*innen wiederhergestellt werden (vgl. ebd.):

„Es bedeutet, die Erde wieder in Harmonie zu bringen mit den Menschen, die von ihr und für sie leben‘‘ (ebd. 18).

Neben der Kosmologie ist die Frage nach Land und Landverteilung zentral. So verfolgt die Bewegung das Ziel einer gerechten Landverteilung für eine gemeinschaftliche Landnutzung (vgl. ebd. 18) und gegen die Monopolstellung der Agrarkonzerne (vgl. ebd. 18).

Abb. 2: Banner am besuchten Befreiungsort. (Eigene Aufnahme)

Auf dem Weg zu unserem Treffpunkt mit den Liberadores und Liberadoras, den Befreier*innen der Mutter Erde, fuhren wir lange Zeit an den endlos wirkenden Zuckerrohrmonoplantagen vorbei. Schließlich erreichten wir unser Ziel: einen Ort der Befreiung. Insgesamt gibt es nach Angaben der Befreier*innen sieben Orte der Befreiung im Cauca und in Kolumbien, an denen die Bewegung ihren Protest gegen die Agrarkonzerne schon durchsetzen konnte. Vor Ort wurden wir von den anwesenden Befreier*innen mit viel Offenheit begrüßt und fühlten uns sehr willkommen. Die Finka, welche wir besuchen durften, bestand aus einem freigelegten Gebiet und erbauten Schutzkonstruktionen aus Bambus und Planen. Unter diesen wurden Hängematten gespannt und es gab Bänke aus Holzbrettern. Wir wurden mit Platano-Fladen und Chicha begrüßt und stellten uns gegenseitig sowie unsere jeweiligen Interessen vor. Anschließend erzählte uns ein Liberador etwas über die Bewegung und deren Ziele. Die konkrete Befreiung der Mutter Erde erfolgt durch das Abschneiden des wachsenden Zuckerrohrs auf den Plantagen und das Anbauen eigener Lebensmittel sowie das Pflanzen neuer Bäume. Ein Ort der Befreiung soll die Befreier*innen zusammenbringen und einen Bildungsort für die Bewegung darstellen. Außerdem sollen die Befreiungsorte gemeinschaftlich genutzt werden und Siedlungen entstehen, in denen Gemeinschaften leben und das Land nutzen können (vgl. ebd. 19). Insgesamt konnten durch die sieben Finkas bereits ungefähr 3.000 ha von Monokulturen befreit werden (vgl. ebd. 19). Der Ort unseres Besuches wurde nach Angaben der von uns besuchten Befreier*innen im Herbst 2015 besetzt und umfasst ein Gebiet von ca. 120 ha.

Abb. 3: Zuckerrohrmonokultur (Eigene Aufnahme)
Abb.4: Infobanner am besuchten Ort der Befreiung (Eigene Aufnahme)

In Kolumbien sind zunehmend Investitionen transnationaler Unternehmen zu verzeichnen, die auf eine verstärkte Weltmarktöffnung des Landes zurückgehen. Insbesondere unter der Regierung Santos wurden ausländische Investitionen begrüßt, um die wirtschaftliche Entwicklung Kolumbiens voranzutreiben. Im Norden des Cauca vergibt die kolumbianische Regierung somit Landtitel an transnationale Konzerne, die in dem Gebiet großflächig Monokulturen anbauen. Oft werden im Zuge dieses Prozesses allerdings Landrechte der indigenen Bevölkerung vor Ort durch Landenteignungen verletzt und Gemeinschaften verdrängt, weil die Unternehmen ihre wirtschaftlichen Interessen über die der Bewohner*innen und ansässigen Gemeinschaften der NASA stellen (vgl. Summereder 2012: 63ff).  Insgesamt besitzen die transnationalen Konzerne nach Angaben der besuchten Liberadores und Liberadoras 380.000 ha Zuckerrohrplantagen im Norden des Cauca. Gleichzeitig leben in dem Gebiet rund 24.000 Menschen der Nasa Gemeinschaft, von denen nach eigenen Angaben nur 50% Zugang zu Land haben.

Eine wichtige Rolle in diesem Kontext und bei der Entstehung der Bewegung spielte auch hier der indigene Aktivist Manuel Quintín Lame Chantre (vgl. Mäusezahl 2019: 13). In den 1970er Jahren begannen erneute Landbesetzungen nach seinem Vorbild durch Nasa Gemeinschaften, die eine Wiederaneignung des Landes anstrebten (vgl. anonymisierte Liberadora 2019: 18). Im Jahr 1991 kam es zum ,,El Nilo-Massaker‘‘, der Ermordung von 20 Befreier*innen, die nach Angaben der von uns besuchten Befreier*innen von der Regierung nach einer Landbesetzung ermordet wurden. Dies habe zu einem Stillstand der Protestbewegungen geführt. 2005 entstand allerding neuer Aufschwung und die Liberación de la Madre Tierra gründete sich als Protest gegen die ökologischen und sozialen Auswirkungen des kapitalistischen Systems und für die Wiederaneignung von Landflächen zugunsten der Nasa-Gemeinschaften und darüber hinaus (vgl. ebd. 18). Die ersten Befreiungen von Finkas im Zuge der Bewegung fanden nach eigenen Angaben zwischen 2013 und 2015 statt. Infolge dieser und dem damit verbundenen staatlichen Widerstand sei es zu vielen Körper- und Menschenrechtsverletzungen gekommen.

Nach den Gesprächen wurde uns die Finka und die umliegende Fläche von den Befreier*innen gezeigt.

Abb. 5: Besichtigung der umliegenden Fläche (Eigene Aufnahme)

Diese erzählten uns vom Widerstand gegen die staatlichen Akteure, die in der Vergangenheit wiederholt versucht hatten, die Finka zu räumen. Hierzu rückte jeweils das polizeiliche Sondereinsatzkommando Escuadrón Móvil Antidisturbios (ESMAD) an, welches für die Kontrolle aufständischer Gruppen und die Wiederherstellung von Ordnung verantwortlich ist. Die Regierung unter Santos versuchte mit verschiedenen Methoden wie Repression und Angriffe auf Orte der Befreiung, den Protest der indigenen Bewegung zu unterbinden (vgl. ebd. 2019: 19). Insgesamt kam es seit dem Beginn der Bewegung zu mehr als 300 Angriffen mit acht Toten und 600 Verletzten (vgl. ebd. 19). Zusätzlich wurden Finkas und Nahrungsmittel zerstört (vgl. ebd. 19). Andere Methoden sind die strafrechtliche Verfolgung der Liberadores und Liberadoras und die öffentliche bzw. mediale Herabsetzung der Nasa-Gemeinschaften (vgl. ebd. 19). In der Vergangenheit wurden der Bewegung Abkommen und Gelder angeboten, um den Protest aufzugeben (vgl. ebd. 19). Nach eigenen Angaben wurden in den letzten 40 Jahren 1200 Abkommen zwischen dem Staat und den indigenen Gruppen Kolumbiens unterzeichnet, die auf Seiten des Staates nicht eingehalten oder umgesetzt wurden. Daher sei das Vertrauen in den Staat gebrochen und es gäbe keinen weiteren Dialog oder Verhandlungen, da der Fehler, mit der Regierung zusammen zu arbeiten, nicht wiederholt werden dürfe.

Die Befreier*innen erzählten uns auch von verschiedenen Aktionen, die neben der geplanten Befreiung weiterer Orte Teil des Protestes sind. Regelmäßig werden beispielsweise politische Workshops angeboten, die sich mit der Geschichte der Bewegung und der Gemeinschaft der Nasa beschäftigen. Auch werden Mingas (s.u.) organisiert, bei denen gemeinschaftlich Zuckerrohr abgeschnitten, Nahrungsmittel angepflanzt und lokale und internationale Treffen der Aktivist*innen organisiert werden (vgl. ebd. 20). So ist im August 2019 ein Treffen aller Befreier*innen geplant, um Möglichkeiten des Austauschens und der Vernetzung zu schaffen. Ziel ist die aktive Dekolonialisierung und das Einreißen von Zäunen, was sich gegen machtvolle Institutionen richten soll. Außerdem werden Workshops zu Themen wie politische Prozesse, subsistenzwirtschaftliche Anbauweisen und Techniken, Kämpfe, Kultur, Musik, Kunst und Medien angeboten. Zwischen dem 25. und 26. Mai 2019 fand außerdem der zweite Marcha de la Comida statt. Dieser ,,Protestmarsch für Nahrung‘‘ (Übersetzung aus dem Interview von Ortíz und Schüller 2019: 20) wurde nach eigenen Angaben selbstverwaltend, ohne Unterstützung von NGOs oder ähnlichen Organisationen,  von der Bewegung organisiert und stellte einen Austausch von Mensch zu Mensch ohne eine Intervention des Staates dar. Ziel sei die Verbreitung und Verteilung von Nahrungsmitteln gewesen, welche von der Bewegung in den resugardos selbst angebaut wurden. Hierzu wurden mehrere LKWs beladen und die Nahrungsmittel innerhalb von zwei Tagen in marginalisierten Stadtteilen verschiedener Großstädte wie Medellín, Cali und Bogotá, verteilt. Es wurde außerdem gemeinsam gekocht und gegessen. Finanziert wurde der zweite Marcha de la Comida lediglich über private Spenden und dem Verkauf von Infomaterial. Bei der Liberación de la Madre Tierra und derer Aktionen des Protestes geht es nach eigenen Angaben um den Widerstand gegen das kapitalistische System und um eine Anklage gegen den Staat, den die Bewegung für unverantwortliches Handeln, Raub von Ländereien und für die Zusammenarbeit mit paramilitärischen Gruppen verantwortlich macht. Durch die Bewegung soll etwas Neues jenseits des kapitalistischen Systems entstehen. Die Aktionen sollen Aktivist*innen und verschiedene antikapitalistische Bewegungen vernetzen, da nur gemeinsam eine Befreiung der Mutter Erde stattfinden könne. Daher seien alle Menschen weltweit dazu aufgerufen, sich der Bewegung lokal wie global anzuschließen und die Botschaft des Protestes zu verbreiten, denn jeder Ort könne ein Ort der Befreiung werden und jede*r könne überall Befreier*in der Mutter Erde sein. Solidarisch zeigen kann man sich außerdem durch die Verbreitung und Vorstellung des Kampfes der Indigenen im eigenen Land, durch Vorträge und Workshops oder durch die Teilnahme und Organisation von Demonstrationen, die sich gegen die Repression der kolumbianischen Regierung an der eigenen Bevölkerung  richten (vgl. ebd.). Auch finanzielle Spenden können die zukünftigen Treffen und Aktionen der Befreier*innen ermöglichen (vgl. ebd.). Letztendlich sei es allerdings am hilfreichsten, selbst Befreier*in der Mutter Erde und aktiv zu werden, eigene antikapitalistische Kämpfe zu führen und den Protest der Bewegung somit zu unterstützen (vgl. ebd.).

,,Wir werden weiter die Mutter Erde befreien, damit das Leben weiter geht […]. Auf dass sich die Menschen in das Leben verlieben und dass sich in allen Ecken der Welt Menschen aufmachen, Mutter Erde zu befreien!‘‘ (ebd.).

Weitere Informationen zu dem Protest und den Aktionen unter:  Offizielle Website: https://liberaciondelamadretierra.org
Oder: Facebook-Seite

Minga

Am Nachmittag hatten wir die Möglichkeit, die gegenwärtige Minga zu besuchen, an der circa 20.000 Menschen aktiv teilnahmen. Wir wurden von unserer Unterkunft abgeholt und sind in fünf Pickups die Panamericana entlanggefahren, die ab einem bestimmten Punkt aufgrund der Minga blockiert wurde.

Das Wort Minga kommt aus dem Quechua (vgl. Bedoya 2019: 16) und beschreibt einerseits eine gemeinschaftliche Arbeit und kollektives Handeln der Indigenen (z.B. gemeinsames Einbringen der Ernte oder Bau einer Schule), die von der gesamten Gemeinschaft beschlossen und getragen werden, andererseits ist es seit mehreren Jahren die Bezeichnung der Indigenen des Cauca für ihre großen Demonstrationen und Mobilisierungen (vgl. Schüller 2016). Das Wort Minga ist daher der Ausdruck eines Gemeinschaftsgefühls und der Verantwortung füreinander. Die Protest-Mingas sind der Begriff für einen gemeinsamen Protest und Widerstand. Ihr angeschlossen haben sich kleinbäuerliche und afrokolumbianische Gemeinschaften, Teile der zivilen Opposition und weitere soziale Bewegungen (vgl. ebd.). Die Indigenen des Cauca zählen zu den Antreibern der zivilen Opposition in Kolumbien. Von ihnen gehen etliche der landesweiten Proteste und Widerstandsaktionen aus (vgl. Schüller 2016). Im Jahr 2004 fand eine Massenmobilisierung ausgehend vom Cauca statt. Es war die „Minga für das Leben, die Gerechtigkeit, die Freunde, die Autonomie und die Freiheit“ (Bedoya 2019: 14). Um die 70.000 Indigenen, Kleinbäuer*innen und andere soziale Gruppen demonstrierten auf dem Weg von Santander de Quilichao im Cauca nach Cali mit dem Ziel, die Gesellschaft dazu aufzurufen, ihre eigene Regierung zu gründen. Diese Art der Protestbewegung hatte sich an der historischen Art eines Widerstands der Indigenen orientiert (vgl. ebd.). Die Mobilisierungen fanden auch in den folgenden Jahren statt. Aus der Minga-Bewegung wurde eine breite Protestbewegung, die 2008 mit 30.000 Menschen bis in die Hauptstadt Bogotá zog. Der Protest richtete sich gegen die neoliberale Politik (insbes. des geplanten Freihandelsabkommen mit den USA), die Militarisierung, die allgemeine Repression der rechtsextremen Regierung, die Armee, die Polizei und das Paramilitär. Die Demonstration führte zu einem Schulterschluss mit Gewerkschaften und ihrem Dachverband CUT sowie zu einem Dialog mit dem rechtsgerichteten Präsident Uribe, welcher jedoch keine Zugeständnisse machte (vgl. Schüller 2016). Trotz wenig konkret erzielter Veränderungen in Wirtschaft und Politik ist die Minga ein starker Teil der zivilen Opposition Kolumbiens und war 2010 maßgeblich an der Gründung des „Congreso de los Pueblos“ (Kongress der Völker) als Gegenentwurf zum „Congreso de la Republica“ (kolumbianisches Parlament) beteiligt. Der „Congreso de los Pueblos“ ist eine soziale Bewegung Kolumbiens, die Menschen, Gruppen und Organisationen vereint (z.B. Frauen, Student*innen, Gewerkschafter*innen, Kleinbäuer*innen, indigene und afrokolumbianische Gemeinschaften, Umweltaktivist*innen, Kulturschaffende), um sich für allgemein gültige Rechte einzusetzen (vgl. Schüller 2016). Gegenwärtig betrachtet hat die Minga dazu beigetragen, „Angst zu durchbrechen, die sozialen Kämpfe zu diversifizieren, sich die eigene Geschichte anzueignen und die Frage nach einer gemeinsamen Zukunft aufzuwerfen“ (Bedoya 2019: 15). Deutlich wurde die Möglichkeit, sich ohne staatliche Unterstützung selbst zu verwalten unter Einbezug unterschiedlichster sozialer Subjekte und ohne „Mystik und Liebe für den Kampf“ (ebd.) zu verlieren. Die Pickups, in denen wir saßen, wurden nach inspizierenden Blicken der Kontrollpersonen an den Straßensperren durchgelassen. Langsam wurden wir die Straße entlanggefahren, um Sperren herum, die mit Steinen und Baumstämmen errichtet worden waren. Die Panamericana führte aufwärts und die Fahrt endete für uns auf einem Berg mitten in einem errichteten Zeltlager. Es bot sich ein konträres Bild zu dem, was wir erwartet hatten. Aus den Pickups ausgestiegen, hörten wir Musik, es herrschte ein Trubel zwischen den Zelten, der an ein Musikfestival erinnerte. Dazu fing die Sonne gerade an unterzugehen und färbte den Himmel in Pastelltönen. Viel hatten wir erwartet, aber nicht, nach den Straßensperren an einen für den Moment so friedlich wirkenden Ort zu gelangen.

Abb. 6& 7 . Die Minga. (Eigene Aufnahme)

Die Zeltlager erstreckten sich über mehrere Berggipfel, aufgeteilt nach den unterschiedlichen Lagern der Orte des Cauca. Es waren Indigene, Afrokulumbianer*innen, Bäuer*innen und verschiedenste Gruppierungen, die gemeinsam an der Widerstandsaktion mitwirkten.

Die Minga ist eine zivile Widerstandsbewegung mit dem Streben nach sozialer Veränderung und antisystemischen Politikern (vgl. Petras 2005: 220). Die Formen zivilen Widerstands sind immer kontextabhängig. Es zählen die Ideologie, die Art der Gesellschaft und die Art des Staats dazu, die verstärkt, verändert oder zerstört werden soll (vgl. Salazar Posada :34). Sie hat das Ziel, permanent aktiv zu sein und fordert politisch-strategische Aktionen, um die kulturellen Rechte der sozialen Minderheiten zu vertreten (vgl. Klein; Legrand 1999: 17). Die Nasa-Bewegung ist zudem Schnittstelle zwischen Regierung und comunidades, welche durch die Gründung von Organisationen wie der CRIC und ACIN gegeben ist.

Die CRIC war gegenwärtig mitverantwortlich für die Organisation der Straßensperren. Das erfuhren wir in einem Gespräch mit einem der Demonstranten, der uns auch über den Grund und die Ziele der Minga aufklärte. Die Grundforderung an die Regierung war, dass Präsident Duque in das Gebiet der Minga kommen soll, um in einen konstruktiven Dialog treten zu können. Die Vertreter*innen mobilisieren sich immer dann, wenn es zu Verletzungen der Rechte durch die Regierung kommt. Ziele und Forderungen an die Regierung sind es, die Natur vor Abholzung und Bergbau zu schützen, sowie die Wasserkraftwerknutzung im Páramo zu beenden. Zudem soll das traditionelle Saatgut genutzt werde, um das biologische Gleichgewicht zu erhalten.

Die Regierung wird dazu aufgefordert, die Menschenrechte zu achten und einzuhalten, zudem die Rechte der Völker zu wahren und soziale, kulturelle und wirtschaftliche Grundlagen zu schaffen. Die paramilitärischen Strukturen müssen dafür aufgebrochen werden, was unter anderem die Weiterverfolgung des Friedensvertrags ermöglicht. Auch die Gespräche mit der ELN sollen wiederaufgenommen und die Einschränkungen von Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit aufgehoben werden. Das wäre ein großer Schritt hin zur Selbstbestimmung und Autonomie der indigenen Gruppen, welche gefordert wird. Zudem wird die Regierung aufgefordert der Privatisierung der Telekommunikation entgegenzuwirken. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die bei der Minga versammelten Frauen und Männer jeden Alters durch Protest die Erfüllung von Rechten und die Umsetzung von Verordnungen, welche ihnen bereits vom Staat zugesichert wurden, fordern. Zudem wird gegen die Anpassungen an der Justicia Especial para la Paz (Sonderjustiz für den Frieden, JEP) demonstriert, da diese die Möglichkeit zur Wiedergutmachung und Gerechtigkeit innerhalb der kolumbianischen Gesellschaft zerstören. Anhand der vielfältigen Demonstrationen und Proteste wird deutlich, dass es in der kolumbianischen Gesellschaft große Unzufriedenheit gibt. Forderungen der Protestbewegungen waren stets eine direkte Möglichkeit zu Verhandlungen mit Regierungsstellen, die Protestierenden wurden jedoch stets unterdrückt und durch die Sicherheitskräfte des Staates angegriffen.

Literaturverzeichnis

  • Anonymisierte Liberadora (2019): Befreier*innen der Mutter Erde. Interview von Ortíz, L. und Schüller, J. In: Zwischenzeit e.V. (Hrsg.) (2019): Land, Kultur und Autonomie. Die indigene Bewegung im Cauca (Kolumbien). 18-20. Münster.
    Online verfügbar unter: http://ila-web.de/ausgaben/421/so-geht-die-befreiung-der-erde (letzter Zugriff: 30.05.2019).
  • Bedoya, Y. (2019): Hoffnung säen, eine Bewegung ernten. In: Zwischenzeit e.V. (Hrsg.) (2019): Land, Kultur und Autonomie. Die indigene Bewegung im Cauca (Kolumbien). Münster.
  • Bonami T.A. (2010): Pueblos Indígenas y Constitución Política de 1991. Un Camino de Es peranza y una Pesadilla. In : Ayala Osorio, G. (Hrsg.): Constitución Politica y Pueblos Indígenas. Reflexiones en torno a un Camino de Esperanza. 13-27. Cali.
  • Bonilla, V. D. (2015): Historía política del pueblo Nasa.  25- 45. o.O
  • Drexler, J. (2010): Das „Säen von Macht“: Kosmovision zwischen politischer Ökologie und Lebenspraxis. In: Zeitschrift für Ethnologie 135 (2010). 23-38. München.
  • Klein, A. & Legrand, T. (1999): Neue soziale Bewegungen: Impulse, Bilanzen und Perspektiven. Opladen/Wiesbaden.
  • Lare, M. (2019): Die indigene Bewegung im Cauca – 526 Jahre Widerstand. In: Zwischenzeit e.V. (Hrsg) (2019): Land, Kultur und Autonomie. Die indigene Bewegung im Cauca (Kolumbien). 11-12. Münster.
  • Mäusezahl, M. (2019): Quintín Lame – Begründer der indigenen Bewegung im Cauca. In: Zwischenzeit e.V. (Hrsg.): Land, Kultur und Autonomie. Die indigene Bewegung im Cauca (Kolumbien). 13. Münster.
  • Salazar Posada, M. (o.J.): Horizontes de la resistencia civil en Colombia. Confluencias y ex-presiones de participación ciudadana no violenta para el cambio social y la vigencia de los derechos humanos. In : CRIC (Hrsg.): MEMORIAS ENCUENTRO.
  • Summererder, M. (2012): Gewaltfreier Widerstand der Nasa. Ein indigenes Volk zwischen den Fronten des bewaffneten Konflikts in Kolumbien. Diplomarbeit. Wien.
  • Schüller, J. (2016): MINGA: Kollektive Arbeit – gemeinsamer Widerstand. Die Selbstorganisation der indigenen Bewegung im Süden Kolumbiens. Online verfügbar unter: https://www.graswurzel.net/gwr/category/ausgaben/405-januar-2016/. (letzter Zugriff: 20.01.2019)

Abbildungsverzeichnis:

Abb. 1: Somos Guerreros milenarios (Wir sind tausendjährige Krieger). Eigene Aufnahme.
Abb. 2: Banner am besuchten Befreiungsort. Eigene Aufnahme.
Abb. 3: Zuckerrohrmonokultur. Eigene Aufnahme.
Abb. 4: Infobanner am besuchten Ort der Befreiung. Eigene Aufnahme.
Abb. 5: Besichtigung der umliegenden Fläche. Eigene Aufnahme.
Abb. 6 & 7: Die Minga. Eigene Aufnahme.

Aktuelle Nachrichten der Minga

Zusammenfassung des Verlaufs der Minga:

Vom 13. März bis zum 6. April streikten über 15.000 Mitglieder der indigenen Völker, afrokolumbianische und bäuerliche Gemeinden im Cauca. Sie besetzten eine der größten Handelsrouten Südamerikas, die Panamericana. Bei der sogenannten Minga war eine der Hauptforderungen, dass der Präsident Iván Duque vor Ort eintrifft, um mit den Betroffenen über ihre Forderungen zu sprechen. Es ging insbesondere um die Abkommen, welche immer wieder zwischen dem Staat, Organisationen und Akteuren getroffen wurden, und nicht eingehalten wurden. Außerdem wehrten sich die Protestierenden gegen die Verletzung ihrer Rechte bei Fragen des Landbesitzes, Agrarreformen, Schutz der Umwelt und Menschen etc. und der Nichteinhaltung des Friedensvertrages. Jedoch weigerte sich der Präsident wochenlang zu kommen und schickte nur Vertreter*innen, daher hielten die Proteste lange an. Am 5. April kam es dann schlussendlich zu Verhandlungen, in dem ein Investitionspaket vorgestellt wurde, worauf hin die Protestierenden die Blockade der Panamericana beendeten. Die Minga wurde sowohl von Polizei als auf dem Militär kontrolliert, da unter dem Präsidenten Duque Proteste kriminalisiert wurden. Laut dem Artikel aus den Lateinamerika Nachrichten wurden mehr als 100 Protestierende verletzt und 11 ermordet (vgl. Rüger 2019 https://lateinamerika-nachrichten.de/artikel/sozialer-protest-zwischen-hoffnung-und-polarisierung/).

13.04.2019: Neun ermordete und 88 verletzte Aktivist*innen – die Fronten sind verhärtet. Der Besuch Duque war für den 9 April angekündigt, sagte jedoch in der letzten Minute ab. Verhandlungen sollten hinter verschlossenen Türen geschehen, die Protestierenden der Minga lehnten dies jedoch ab (vgl. Dießelmann 2019 https://amerika21.de/2019/04/224877/indigene-streik-kolumbien).

6.04.2019: Vereinbarungen mit der kolumbianischen Regierung erreicht: rund eine Billionen Pesos wurden zur Verbesserung der Lebensbedingungen bereitgestellt. Die Panamericana wurde am 5. April wieder freigegeben.  Das Abkommen wurde am selben Tag unterzeichnet. Die Innenministerin und der Friedenskommissar, sowie die Direktorin der Nationalen Planungsabteilung unterzeichneten die Investitionen für Wohnraum, landwirtschaftliche Projekte, Infrastruktur, Schutz etc. Trotz der Öffnung der Schnellstraßen kam Duque nicht, daher gibt es weiterhin Versammlungen (2019 https://www.npla.de/poonal/minga-gewinnt-kraeftemessen-praesident-duque-gibt-nach/).

4.4.2019: An dem vorherigen Tag sind mehrere Angriffe auf die Protestierende geschehen. Die Universidad del Valle in Cali hat sich zu den Protesten solidarisiert. Darauf folgte eine Explosion in der Mensa der Uni, parallel dazu wurden Gebäude verschiedener Organisationen angegriffen. Trotz der Anschläge solidarisieren sich weiterhin mehr Organisationen, Gewerkschaften und Studierende (vgl. Dießelmann 2019 https://amerika21.de/2019/04/224597/protest-kolumbien).

2.04.2019: Gespräche mit der Regierung wurden vorläufig beendet, da eine weitere Bedingung der Schutz ihrer Delegation und ihres Lebens war. Ohne Garantie auf ihr Leben will das Streitkomitee nicht verhandeln. Unterstützer*innen weltweit fordern den Präsident den Forderungen nachzukommen (vgl. Dießelmann 2019 https://amerika21.de/2019/04/224478/indigene-minga-kolumbien-2019).

27.03.2019: Mehrere tausend Personen schlossen sich dem Generalstreik an, trotz des Schocks nach dem Anschlag. Duque gab zehn Billionen Pesos nachträglich für die indigene Autonomieregion frei. Dies ist der ONIC jedoch weiterhin zu wenig. Finanzielle Forderungen sind jedoch nur ein Teil. Forderungen um die Anerkennung und gegen die Unterdrückung sind deutlich stärker. Duque möchte eine Delegation nach Bogotá einladen. Es waren zuvor Regierungsvertreter vor Ort, jedoch ohne Entscheidungskompetenz (vgl. Pérez 2019 https://amerika21.de/2019/03/224186/protest-kolumbien-waechst).

23.03. 2019: Nach einer Explosion in einem Brachgelände wurden 8 Protestierende getötet, die das Ankommen weiterer Protestierender vorbereiteten. Aktivist*innen fordern mehr Schutz. Eine Woche zuvor gab es auch schon heftige Auseinandersetzungen mit dem ESMAD. Der Präsident äußert sich nicht zu den Morden, nur zum Tot eines Polozisten (vgl. Dießelmann 2019  https://amerika21.de/2019/04/224067/indigene-sterben-bei-protest-kolumbien).

20.03.2019: Schwere Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und Demonstrierenden. Panamericana nun seit fast einer Woche besetzt. Wirtschaftliche Verluste werden schon auf mehrere Millionen Euro geschätzt. Das ESMAD griff bei der Kontrolle der alternativen Verkehrsrouten ein. Militär hat Leuchtkörper über den Camps abgeworfen, welches sonst als Zeichen gilt für eine bevorstehende Bombardierung (vgl. Dießelmann 2019 https://amerika21.de/2019/03/223978/proteste-von-indigenen-kolumbien)

16.03.2019: Zu der Minga haben sich inzwischen rund 20.000 Menschen angeschlossen. Die Panamericana wurde gesperrt. Während der Minga finden Veranstaltungen, Gesprächskreise und Debatten. Die Protestierenden fordern ein persönliches Gespräch mit dem Präsidenten. Sie wollen, dass der Friedensvertrag umgesetzt wird. Jedoch kam nur der Innenminister, ohne jegliche Vorschläge und Autorität (vgl. Jablonski 2019 https://amerika21.de/2019/03/223778/indigene-kolumbien-im-streik).

13.03.2019: Über 15.000 Protestierende bei der Minga. Es wurde angekündigt dass nur der Innenminister zur Minga kommen wird (vgl. Beutler 2019 https://blickpunkt-lateinamerika.de/artikel/indigene-fordern-keine-einmischung-in-venezuela/)