Besuch der Fundación Universitaria Cali

Besuch der Fundación Universitaria Cali

Besuch der Fundación Universitaria Cali

Abb. 9: Unicatólica. (Eigene Aufnahme)


Im Anschluss an den Rundgang durch das Stadtviertel Siloé folgten wir der Einladung eines Dozenten der UNICATÓLICA (Fundación Universitaria Católica) in Cali. Zwar besuchten wir schon in der ersten Woche die Universität Externado in Bogota, hatten in der Zwischenzeit aber auch viele Gespräche mit Aktivist*innen und Mitgliedern sozialer Bewegungen, weswegen ich umso gespannter war, eine weitere Universität kennenzulernen. Gegründet wurde die private und katholische Universität in Cali 1996, basierend auf der Idee des Erzbischofs Isaias Duarte Cancino, der sah wie viele Abiturienten keinen Zugang zur Hochschulbildung hatten. Mittlerweile gibt es 5 verschiedene Fakultäten, (für Ingenieurwissenschaften, Bildungswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Sozial-und Politikwissenschaften und eine theologische, philosophische und geisteswissenschaftliche Fakultät) in denen ungefähr 4.000 Menschen studieren. Die Interessen und Bemühungen der Universität sind nach eigenen Angaben darauf gerichtet, inmitten einer globalisierten Welt, die durch große wissenschaftliche und technologische Fortschritte gekennzeichnet ist, die Würde des Menschen in seiner persönlichen und integralen Ordnung und in seiner Gruppendynamik aus seinen verschiedenen Kontexten und Dimensionen (wirtschaftlich, sozial, kulturell, politisch, religiös und ökologisch) zu erzeugen, zu bewahren und zu verteidigen. Die Vision der Fundación Universitaria Católica lautet in der Region als die kath. Universität anerkannt zu werden, die den Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Hochschulbildung am meisten erleichtert und einen angemessenen Einfluss auf die Person und ihre Grundrechte, die Gesellschaft und die Umwelt hat (vgl. https://www.unicatolica.edu.co) .

Wir wurden nett begrüßt und über viele kleinere Wege zum Institut für Humanwissenschaft begleitet. Dort erwarteten uns in einem stark klimatisierten Raum zwei junge, indigene Studierende der Universität, die  der Gemeinschaft der Nasa und der Muisca angehören.

Die Universität bietet Studiengänge extra für indigene Studierende an, beziehungsweise unterliegt einer Vorlage, dass die Anzahl der gesamten Studierenden mit einer bestimmten Anzahl von indigenen Studierenden aufgefüllt werden muss. Auch diese Universität ist eine Privatuniversität, aber  im Vergleich zu anderen privaten Universitäten nach eigenen Angaben günstiger. Bevor ich darauf eingehe was in dem Seminarraum besprochen wurde, möchte ich noch ein paar Worte zu dem Namen der Universität  und darüber hinaus der Stellung der Kirche in Kolumbien schreiben.  Ich habe mich gefragt, inwiefern die Religion, aber vor allem die katholische Kirche Einfluss auf die Gesellschaft nehmen kann und was ihre Rolle in den zahlreichen Konflikten des Landes ist. Dieses Thema war zwar nicht grundlegend für unsere Exkursion, dennoch spielt die Religion innerhalb der Konflikte eine starke Rolle, weswegen es mir wichtig ist, die Entwicklung der kolumbianischen Kirchenhierarchie zu kennen und sich damit auseinanderzusetzen.

Exkurs – Stellung der Kirche

Im Folgenden werden Inhalte und Entwicklungen der katholischen Kirche aus den letzten Zwei Jahrzenten dargestellt. Als Reaktion auf die Verschlechterung der innenpolitischen Lage Ende der 80ziger Jahre hat man 1991 eine neue Verfassung verabschiedet. In der Verfassung von 1886 wird im Artikel 38 die katholische Kirche noch wie folgt beschrieben: „Die katholische, apostolische, römische Religion gehört zur Nation, die öffentliche Gewalten werden sie schützen und dafür sorgen, dass sie als ein wesentliches Element der sozialen Ordnung respektiert wird.“  (vgl. José Darío Rodríguez Cuadros 2017: 259) Die Kirche genoss so den Schutz durch die öffentlichen Gewalten und erhielt weitreichende Kontrolle über das Bildungssystem. Die Beziehungen zwischen Kirche und Staat waren nahezu im gesamten 20. Jahrhundert – mit Ausnahme von gewissen Momenten der Spannung – durch eine Atmosphäre großer Nähe und wechselseitiger Beeinflussung charakterisiert. Doch der starke soziale und politische Einfluss der Kirche erlebte im Laufe der Zeit verschiedene Veränderungen. Seit Beginn der 1990er Jahre ist der Einfluss zurückgegangen und hat sich gewandelt. Dazu haben Faktoren wie die Intensivierung des bewaffneten Konflikts, die Ausdehnung des Drogenhandels, die Stärkung der paramilitärischen Gruppen und insbesondere die erneuerte Verfassung von 1991 beigetragen. Der Erlass der Verfassung von 1991 war ein prägender historischer Moment für die katholische Kirche Kolumbiens. So ist die neue Verfassung nicht konfessionsgebunden, sondern offen für Religionsfreiheit. Das bedeutet, sie leitet die Legitimität nicht mehr von der Autorität Gottes ab, sondern vom kolumbianischen Volk. Sie veränderte den katholischen Charakter der Verfassung, die Vorrangstellung in der Präambel des Textes, sowie die Rolle der Kirche als Garant der sozial moralischen Ordnung der Familie und des kolumbianischen Bildungssystems in Hinblick auf die religiöse Erziehung in öffentlichen und privaten Einrichtungen. Die Entwicklung des Status der Religion begann mit Diskussionen über die neue Verfassung, aber auch das nationale Bildungsgesetz von 1994, das Rollenverständnis der Kirche, das Scheidungsrecht, sowie die kontinuierlichen Klagen über die durch den Drogenhandel verursachte Gewalt waren Themen. 1995 leistete die Kirche einen wichtigen Beitrag zum öffentlichen Leben und veröffentlichte die Studie der Bischofskonferenz von Kolumbien über das Phänomen der Vertreibungen im Land (CEC 1995). 1998 bis 2002 konzentrierte man sich auf die zunehmenden Menschenrechtsverletzungen, Entführungen und die Tötung von Geistlichen im Zuge der Verschärfung des bewaffneten Konflikts. Korruption war dabei auch immer wieder ein Begriff, weswegen die Kirche insbesondere im Kontext der Wahlen versuchte, auf das Gewissen der Wähler*innen einzuwirken. In der sogenannten dritten Phase  (2003 bis 2010) der Entwicklung äußerte sich die Kirche vor allem zur Notwendigkeit einer Verhandlungslösung für den bewaffneten Konflikt, während die Regierung um Präsident Álvaro Uribe eine militärische Lösung anstrebte. Menschenrechtsverletzungen und politische Korruption waren weiterhin präsent und wurden von der Kirche angeprangert; vor allem als Verbindungen von mehr als der Hälfte der Parlamentsabgeordneten mit paramilitärischen Gruppen festgestellt wurden. Die katholische Kirche sprach sich zudem für die Notwendigkeit einer Agrarpolitik aus, welche die Grundlagen der bäuerlichen Landwirtschaft stärkt und so zu einem strukturellen und dauerhaften Frieden beitragen kann. In Bezug auf moralische Fragen wurde sich weiterhin gegen Abtreibung und gegen die Sterbehilfe ausgesprochen. 2011 bis 2015 lag der Fokus dann auf den Opfern des bewaffneten Konflikts, der Unterstützung der Friedensgespräche zwischen Regierung und FARC sowie auf der Bekämpfung der Korruption. Es folgten Betreuung und Unterstützung der Opfer des bewaffneten Konflikts. Die an Arbeiter*innen und Landwirt*innen gerichtete Erklärung betonte das Recht auf Arbeit, faire Löhne und eine gerechte Verteilung von Gütern und Land.  Es gab Äußerungen zugunsten der Anerkennung der Würde und der Rechte der indigenen und afrokolumbianischen Gemeinschaften. Gegen die Themen Abtreibung und Sterbehilfe, aber auch Auflösung kirchlich geschlossener Ehen wurde sich weiterhin ausgesprochen. So erscheint es, dass sich die Rolle der Kirche durch die Verfassung von 1991 von einer passiven zu einer viel aktiveren Rolle gewandelt hat (vgl. José Darío Rodríguez Cuadros 2017: 259 – 276).

Abb. 10: Seminarraum Unicatolica. (Eigene Aufnahme)

Zurück in dem Seminarraum der  UNICATÓLICA  stellen sich die zwei jungen Studierenden uns nun vor, sie studieren Sozialwissenschaften. An der Universität in Cali bekämen sie die Möglichkeit als Indigene zu studieren, ohne die eigene Identität zu verlieren und möchten nach Abschluss des Studiums zu ihren jeweiligen Gemeinden zurückkehren und dort arbeiten.

Auch die beiden Studierenden sprechen von der Verfassung von 1991, sie verdeutlichen die hohe kulturelle Diversität des Landes. In der Realität, gebe es allerdings nur die sogenannte “zweite” Version von Staat. Im zentralistischen Staat gibt es nur eine Religion und eine Sprache. Anschließend berichten die beiden von der angespannten Situation im Cauca. Dadurch, dass wir uns zuvor schon thematisch mit dem Cauca und den aktuellen Landkonflikten auseinandergesetzt haben, waren uns die Inhalte schon bekannt, aber sie noch einmal aus der Perspektive der zwei Studierenden im Rahmen der Universität erklärt zu bekommen, war noch einmal sehr emotional. Auch Jorge Leonard

Abb. 11: Verteilung der Konflikte in Kolumbien. (Eigene Aufnahme)

o Orozco Holguin, Geographieprofessor an der  UNICATÓLICA, greift das Thema auf und veranschaulicht unter anderem den Zusammenhang zwischen den vielen gewaltsamen Konflikten und dem Kokaanbau. Beispielsweise zeigen die zwei abgebildeten Karten von Kolumbien (Siehe Abbildungen 9 & 10)

auf der einen Seite, wie stark Konflikte in den jeweiligen Regionen vertreten sind und auf der anderen Seite, wie sehr die Cultivos de Coca (Kokaanbauflächen) im Land verteilt sind. Auffällig dabei ist, dass besonders der südliche Teil Kolumbiens von

Abb. 12: Verteilung der Kokaanbauflächen in Kolumbien (Eigene Aufnahme)

gewaltsamen Konflikten geprägt ist und zugleich eine hohe Hektaranzahl von Kokaplantagen nachweist. Auch wird auf den Bergbau eingegangen. Viele Comunidades leben es schon vor: Einen Bergbau im Einklang mit der Natur. In den knapp zwei Stunden, in denen wir in der Universität sein durften, haben wir neue Ansichten kennen gelernt und es wurde wieder einmal deutlich, wie vielfältig die Kultur in Kolumbien ist. Gerade aufgrund der hohen kulturellen Diversität gibt es große Unterschiede, dabei kommt es regelmäßig zu Kämpfen, was die Spaltung innerhalb der Bevölkerung bestehen lässt. Die Thematiken, die angesprochen wurden, werden in anderen Kapiteln nochmal sehr viel ausführlicher behandelt, weswegen an dieser Stelle die Darstellungen nur kurz skizziert wurden. Der Besuch in der Universität sowie die Gespräche mit den beiden Studierenden waren sehr aufschlussreich und bereichernd. Sie haben uns anschaulich dargestellt, welche Bedeutung Landkonflikte für die Entwicklungen in der Region langfristig haben (vgl. Mitschrift).

Abb. 13: Gruppenbild in der Unicatólica. (Eigene Aufnahme)

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