Umsiedlung der afrokolumbianischen Gemeinschaft Roche

Umsiedlung der afrokolumbianischen Gemeinschaft Roche

Umsiedlung der afrokolumbianischen Gemeinschaft Roche

Roche ist eine afrokolumbianische Gemeinschaft in Barrancas, im Süden von La Guajira. An ihrem ehemaligen Standort gab es um 1997 mehr als 180 Familien.  Die Bevölkerung hat dort überwiegend von Fischerei, Jagd und Landwirtschaft gelebt. Der tropische Trockenregenwald verfügte über genug Ressourcen, die ihr Überleben garantiert haben. Da sich auf ihrem Gebiet aber Kohlevorkommen befanden, welche das Unternehmen Cerrejón abbaut, wurde die dort lebende Bevölkerung umgesiedelt. Das ursprüngliche Territorium war nicht nur der Wohnort, sondern auch ein Gebiet mit verschiedenen kulturellen, spirituellen und gemeinschaftlichen Werten und Funktionen (Ramirez et al. 2018). Roche war die erste Gemeinde, die der Miene des Unternehmens Cerrejóns weichen musste. Die ehemaligen Bewohner*innen sprechen von einer Zwangsumsiedlung, bei der im Interesse des Unternehmens und mit Hilfe des Staates die Anwohner*innen in städtische Siedlungen gebracht wurden. Seit 2003 hatten Verhandlungen über eine Umsiedlung zwischen der Gemeinde Roche und dem Unternehmen Cerrejón stattgefunden; 2011 waren bereits die meisten Familien umgesiedelt worden. Am 24. Februar 2016 wurde die letzte in der Gemeinde Roche verweilende Familie gewaltsam vertrieben (Ramirez et al. 2018). Nur ein Teil der Bevölkerung wurde umgesiedelt, andere wurden vertrieben ohne neue Häuser und Grundstücke zu bekommen. Sie beklagen, dass diese Transformation von ihrer ursprünglichen ländlichen Lebensweise ohne jegliche institutionelle Begleitung stattgefunden hat. Dadurch wurde zwar ihr physisches Überleben gesichert, jedoch wurde das Fortbestehen ihrer Kultur nicht gewährleistet (Ramirez et al. 2015). Durch jegliche Form von Umsiedlungen verlieren die afrokolumbianischen Gemeinden ihre kulturellen Stätten wie zum Beispiel Friedhöfe und auch Gemeindegebäude, wie Schulen und Gesundheitsposten. Die neuen Territorien und Häuser entsprechen häufig nicht den traditionellen Wohn- und Lebensweisen und stellen keine angemessenen Konditionen für Vieh- und Landwirtschaft dar (Cajar & Censat & Indepaz. o.D.).

Abb. 4: Straße im umgesiedelten Roche. (Eigene Aufnahme)

Geschichte von Roche

Ein Großteil der historischen Literatur aus La Guajira fokussiert sich auf die Wayuu und die Bevölkerung von Riohacha. Deshalb gibt es wenig Informationen über den Süden von La Guajira, wo sich unter anderem auch die Gemeinschaft von Roche befindet. Aus diesem Grund folgt eine Zusammenfassung der Geschichte Roches nach dem Buch Bárbaros Hoscos, historia de la (des)territorilzación de los negros de la comunidad de Roche (Díaz et al. 2015). Die Gemeinschaft von Roche hat sich selbst immer als „schwarz“ identifiziert, da sie von versklavten Menschen aus Afrika abstammt. Während der Kolonialzeit, wurden vor allem Personen aus Afrika und die Indigenen der Region versklavt. Bereits vor dem Verbot der Sklaverei 1851, sind immer wieder Sklav*innen ausgebrochen. Infolgedessen haben sie sich zu neuen Gemeinschaften zusammengeschlossen, die palenques und arrochelados fugitivos genannt werden. Die Vorfahren der Gemeinde haben sich im Tal des Flusses Ranchería vor circa 300 bis 400 Jahren niedergelassen, aufgrund der guten Möglichkeiten, sich zu verteidigen. Die ersten Personen, die sich dort ansiedelten und Roche gegründet haben, waren angeblich Valentín Arregocés mit seinen Schwestern Luisa, Magdalena und Vitalia. In diesen abgelegenen Gegenden La Guajiras haben sie neue Lebensweisen entwickelt, da sie in Isolation lebten und sich selbst versorgen mussten. Diese neuen Territorien sollten die Traditionen und das Erbe Afrikas beschützen. Zudem stellten sie einen Zufluchtsort für die afrokolumbianische Bevölkerung dar. Für die Verteidigung der Siedlungen, umschlossen sie sie mit Holzzäunen, um sich vor Angriffen der Europäer*innen zu schützen. Daher wurden jene Gebiete palenques (dt. Palisaden) bezeichnet. In der jüngeren Vergangenheit haben sie sich lange nicht als afrokolumbianische Gemeinde organisiert und konnten ihre Rechte nicht geltend machen. Erst vor wenigen Jahren und mit Hilfe des Gesetzes 70 haben sie den Gemeinschaftsrat der Gemeinde Roche gegründet (Consejo Comunitario de la Comunidad de Roche). Der Zusammenschluss der 150 Familien reklamiert die Restauration ihres Territoriums, die Anerkennung ihrer Selbstbestimmung und die Stärkung der Gemeinschaft.

Umsiedlung der afrokolumbianischen Gemeinde Roche
Die Gemeinde Roche vor der Umsiedlung:

In der alten Comunidad Roche lebten, laut eigenen Aussagen, vor der Umsiedlung 514 Familien. Bevor Cerrejón begann Kohle zu fördern, standen den Menschen die natürlichen Ressourcen der Region zur Verfügung und ihnen war, nach eigenen Angaben, ihre Grundversorgung gesichert und es war ihnen möglich, ein unabhängiges Leben zu führen. Viele von den Bewohner*innen in dem umgesiedelten Dorf Roche berichteten uns, dass sie vor der Umsiedlung Tiere besaßen, wie beispielsweise Hühner oder Ziegen und dass sie Anbau betreiben konnten. Die Meisten von ihnen konnten sich durch ihre eigene Landwirtschaft zum Großteil selbst versorgen. Im Durchschnitt besaß eine Familie in Roche 40 bis 50 Hektar Land und konnte sich dort frei bewegen, um zum einen zu Jagen und Fischen und zum anderen um dort Ackerbau zu betreiben.

Abb. 5: Territorium der ehemaligen Gemeinschaft Roche (DÌAZ et al. 2015: 12)

Die sozialen und ökonomischen Beziehungen basierten auf dem Verkauf von Produkten und Werkzeugen. So berichtete uns ein Bewohner, dass er durch den Anbau von Nahrungsmitteln neben seiner Grundversorgung zusätzlich um die 30 bis 40 Tausend Pesos (8-10 Euro) verdiente. Andere aus dem Dorf berichteten, dass sie in ihrem alten Zuhause einen „Tante Emmaladen“ oder ein Restaurant betrieben oder als Lehrkraft arbeiteten. Die alte Comunidad besaß eine große Schule, in der jede Klasse einen eigenen Raum hatte. Sie war außerdem mit einer Cafeteria ausgestattet. Zudem hatten die Bewohner*innen der alten Comunidad verschiedene Spiritualitäten und ihr Dorf bot vielfältige Orte, um den unterschiedlichen Glaubensrichtungen nachzugehen. Das Gemeinschaftsleben in der Comunidad war geprägt durch eine gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit, in der die Bewohner*innen brüderlich miteinander umgegangen sind. Sie besaßen ein starkes Zugehörigkeitsgefühl innerhalb der Gemeinschaft, sodass sie sich mit dieser identifizieren konnten. Der nahe gelegene Fluss war nicht nur eine Wasserquelle, sondern ein wichtiger Teil der Identität der Gemeinschaft. Sie betrieben dort Fischerei, nutzen den Fluss zur Körperpflege und für gemeinschaftliche Aktivitäten. Das Wasser war ein Privileg für Roche, denn zusätzlich zu dem Fluss gab es noch einen Brunnen, der Zugang zu unterirdischen Wasserquellen ermöglichte. Die Wasserversorgung der Gemeinde war also durch ein Windrad gesichert, welches aus diesem Brunnen Wasser in Wassertanks gepumpt hat und dieses dann auf die verschiedenen Häuser verteilte (vgl. Mitschriften 2019).

Die Gemeinde Roche nach der Umsiedlung

Am 24. Februar 2016 kam es zur Vertreibung der letzten Familien im alten Roche. Hier rückte die Mobile Anti-Aufstand-Schwadron (span. ESMAD, Escuadrón Móvil Antidisturbios) aus und schoss mit Gummigeschossen und Gaspatronen auf die verbliebenen Bewohner*innen. Dabei gab es mehrere Verletzte, es kam zu Verhaftungen und ein internationaler Journalist wurde auf das Polizeirevier geführt, woraufhin dieser, sämtliche Aufnahmen der Ereignisse löschen musste (vgl. Cajar & Censat & Indepaz o.J., S. 13f.). Die oben beschriebenen Rahmenbedingungen haben sich nach der Umsiedlung jedoch stark verändert. Von den in Roche 514 lebenden Familien wurden, nach eigenen Angaben, 25 in das neue Dorf umgesiedelt. Die Anwohner*innen, denen kein Haus zugesprochen wurde, haben sich über das gesamte Land in verschiedene Städte verteilt. Einige von ihnen sind nach Venezuela gegangen. Der neue Standort für die Gemeinde bietet keinen Platz, dass weitere Familien hinzuziehen können. Die Bewohner*innen von Roche erzählten, dass diese Art von Zusammenleben ihrer Kultur widerspricht, denn diese beinhaltet eigentlich ein Leben mit vielen großen Familien. Außerdem wurde uns berichtet, dass von dem brüderlichen und gemeinschaftlichen Zusammenhalt aus der Comunidad nichts mehr geblieben ist. Eine Anwohnerin berichtete „jeder geht hier seinen eigenen Weg“. Sie erzählte uns von dem Fest des heiligen Isidors. Dieses wurde in der Comunidad vier Tage gefeiert, nach der Umsiedlung fand es einmal statt und dann nie wieder. Sie erwähnte in diesem Zusammenhang außerdem, dass das jetzige Dorf von hoher Kriminalität geprägt ist. Die Situation in Roche ist gefährlich und die Bewohner*innen haben Angst ausgeraubt zu werden.

Die Gebäude im umgesiedelten Roche sind von schlechter Qualität. Viele weisen Risse an den Wänden auf und bei Regen läuft das Wasser in die Häuser hinein. Einige Häuser befinden sich noch im Rohzustand, weil weder Böden noch Dächer vorhanden sind. Bisweilen zeigt Cerrejón keine Anzeichen, die Häuser zu sanieren oder fertig zu stellen. Einige Bewohner*innen warten seit 14 Monaten darauf, dass die Arbeiten an ihren Häusern fortgesetzt werden. Zudem ist die Wasserversorgung des Dorfes schlecht, nicht nur durch Kontamination, sondern auch durch die Einschränkung des Zugangs. Die Wasserlieferungen, die das Dorf von der Stadt erhält, sind als Trinkwasser nicht geeignet. Tests ergaben, dass es viele Schwermetalle und giftige Substanzen enthält. Für Kinder kann das Wasser ebenfalls nicht für die Körperhygiene genutzt werden, da Ausschläge bei ihnen vorgekommen sind. Dieser Zustand nötigt die Bewohner*innen von Roche dazu Wasser einzukaufen. Der Ackerbau, welcher in der alten Comunidad Lebensgrundlage für viele Bewohner*innen darstellte, ist am neuen Standort sehr schwer. Die Böden vor Ort sind sehr hart, besitzen wenig Wasser und sind durch die Mine verschmutzt. Die zwei Regenzeiten reichen für den Anbau nicht aus, weshalb für eine erfolgreiche Ernte Bewässerung nötig wäre. Dies würde aber eine erneute finanzielle Belastung für die Bewohner*innen bedeuten. Des Weiteren ist der Betrieb von Ackerbau durch die geringe Fläche, die zur Verfügung steht erschwert. Einige Bewohner*innen berichteten von einem Hektar Land, das ihnen zugesprochen wurde, Andere von vier Hektar. In diesem Zusammenhang erzählte ein Bewohner, dass ein Hektar Land in semi-ariden Regionen für eine Kuh ausreicht. Damit eine ganze Familie versorgt werden kann, werden in diesen Regionen 58 bis 62 Hektar Land benötigt. Viele der Einwohner*innen versuchen sich trotz dieser beeinträchtigen Voraussetzungen im Anbau, die Ernten fallen aber sehr schlecht bis gar nicht aus.

Abb. 6: Ernten fallen im neuen Roche auf Grund der schlechten Böden und der Trockenheit meistens schlecht aus. (Eigene Aufnahme)

Ein, in Roche ansässiger Mann erzählte uns von seinen vielen Versuchen in der Landwirtschaft. Zunächst baute er Melonen an. Die erste Ernte ist gut ausgefallen und Cerrejón nahm ihm die gesamte Ernte ab. Für die Melonen, die nicht der Norm entsprochen haben, hat er von dem Konzern ein Auto bekommen. Im nächsten Jahr wurde ihm ein, von Cerrejón angestellter, Agronom zur Seite gestellt und er sollte nach seinen Anweisungen handeln. Dieser gab ihm vor, kurz vor der Ernte, Pestizide zu verwenden. Er erzählte uns, dass er der Verwendung von Pestiziden kritisch gegenüberstand und im Endeffekt, deutlich weniger, als vom Agronomen vorgegeben, gespritzt hat. Nach der zweiten Anwendung musste er die Melonen zu früh ernten und konnte sie nicht verkaufen. Der für ihn entstandene Schaden, wurde mit dem Konzern Cerrejón, dem Agronomen und ihm gleichermaßen geteilt. Im dritten Jahr baute er Yucca an. Mit Cerrejón war vereinbart, dass sie ihm die gesamte Ernte abnehmen. Diese Vereinbarung änderten sie mit der Zeit, indem sie ihm vorgaben, die Ernte an einem ganz bestimmten Tag zu wollen und diese dann zusätzlich geschält, gekühlt und verpackt. Die neu gestellten Bedingungen konnte er nicht erfüllen. Er hat den Anbau trotzdem fortgesetzt und versucht seine Pflanzen zu verarbeiten. Durch einen Ausfall von Strom und Wasser, resultierte am Ende wieder eine unbrauchbare Ernte, wofür es von Cerrejón keine Entschädigungen gab. Mit Beginn der Bergbauaktivitäten in der Region, hat das Unternehmen versucht, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Sie hat ihnen verschiedene Gefallen getan, sie eingeladen und Geschenke gemacht. Wie beispielsweise die eben genannte Unterstützung und Abnahme der Ernte zu Beginn. Ein Versprechen, das gemacht wurde, war, mit Hilfe der regalias (finanzielle Abgaben, die das Unternehmen an den Staat für die Nutzung der Erde und die benötigten Ressourcen machen muss) Grundbedürfnisse zu erfüllen und Projekte für die Gemeinschaft zu realisieren. Nach Aussagen der Gemeinde ist dies aufgrund der „Unfähigkeit des Staates“ und von Korruption aber nicht geschehen. Dieses Muster, dass der Konzern Cerrejón zu Beginn Unterstützung bietet und sich dann zurückzieht, ist in dem Dorf Roche keine Seltenheit. Ein Bewohner berichtete zum Beispiel, dass er für die ersten eineinhalb Jahre, nach der Umsiedlung, durch Cerrejón Beschäftigung erhalten hat. Danach aber keinen weiteren Job erhielt. Eine Bewohnerin, die in ihrem vorherigen Zuhause ein Restaurant betrieb, eröffnete am neuen Standort wieder ein Restaurant. Die ersten Jahre lief ihr Geschäft gut. Cerrejón hat ihr das Essen abgenommen. Mittlerweile ist ihr Restaurant geschlossen, weil Cerrejón die Abnahme gestoppt hat. Ähnliches passierte mit den Stromzählern. Zu Anfang sind diese nicht gelaufen. Erst als Cerrejón anfing, sich aus allen Angelegenheiten des Dorfes zurück zu ziehen, fingen die Zähler an, den Strom zu zählen. Nun müssen die Menschen für eine teure Stromversorgung zahlen, die sich eigentlich keiner leisten kann. Im Laufe der Zeit haben sich die Konflikte verschärft. Der Zugang und die Verschmutzung des Wassers wurden weiter eingeschränkt. Die Luftverschmutzung in der Region hat stark zugenommen. Die Umgebung wird für Deponien genutzt. Die Flora und Fauna wird zerstört, unter anderem verursacht durch die Errichtung von Wohnungen für die Mitarbeiter*innen der Miene.  Die Gemeinschaft Roche wurde daraufhin unfreiwillig in das Programm für Wiederansiedlung aufgenommen. Sie beklagt aber die Nichterfüllung der Abmachungen bezüglich der Umsiedlung, wie den Prozess der Begleitung in der Entwicklung von produktiven Beschäftigungen, Unterstützung, sowie Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten.

„Hier kann man nicht leben“. Die Menschen vor Ort haben kein richtiges Zuhause und besitzen keine Möglichkeit Einkommen zu generieren. Einige berichteten uns, dass sie nur durch die Arbeit ihrer Kinder oder durch finanzielle Rücklagen ihrer Eltern „um die Runden kommen“.  Auf unsere Frage, wie es ihm geht, entgegnete uns ein Bewohner „mir geht es schlecht“ (Mitschriften 2019).

Problematik Cerrejon

Die neue Ortschaft Roche wurde, wie bereits im oberen Kapitel angeführt, von Cerrejón errichtet. Jedoch wurden dabei die notwendigen Bedürfnisse der Bevölkerung nicht berücksichtigt. Hierzu zählen die zu kleinen Weideflächen, die für Viehhaltung und Ackerbau nicht ausreichen. Während das alte Roche eher einem Bauerndorf glich (vgl. Rothen, Suhner, 2013), wurde das neue Roche im Stil einer Vorortsiedlung errichtet und stellt so ein Gegenteil zu dem dar, was die afrokolumbianische Gemeinschaft benötigt. Dies ist das Resultat der Nichteinbindung der Betroffenen, sodass der Bau lediglich aus der Sicht und unter den Vorgaben von Cerrejón selbst stattfand. Trotz der Forderungen der Bewohner*innen von Roche, den Bau zu stoppen, wurde das neue Roche errichtet und die Familien mit Hilfe von Bargeld zur Umsiedlung genötigt. Seit 1997 wird Roche mit der Umsiedlung konfrontiert, was damals mit dem Abkaufen von Häusern und Grundstücken ausgemacht werden sollte, nicht jedoch mit einer kollektiven Umsiedlung. Dabei wurde auf die Bevölkerung der ehemaligen Gemeinschaft in Roche Druck ausgeübt. Dies geschah mit Androhungen, dass es sich um das letzte Kaufangebot handle und es sonst zu einer Enteignung kommen würde. Mit diesen Androhungen hatte Cerrejón in anderen Gemeinschaften Erfolg. In Tabaco kam es 2001 zu eben einer solchen Enteignung, als Bulldozer anrückten, und die Bewohner*innen des Dorfes mit Gewalt vertrieben. Wegen Nichteinhaltung der OECD Leitsätze für multinationale Firmen, wurden Klagen eingereicht, mit Aussicht, dass die Strategien von Cerrejón nachließen. Nach Bestätigung dieser Klagen, versprach Cerrejón eine faire Verhandlung. Jedoch wurde infolge dessen mit den einzelnen Gemeinschaften verhandelt, was zu zunehmendem Misstrauen und Spaltungen der betroffenen Gemeinschaften führte. Zusätzlich gab es schlechte Dokumentation und geringe Transparenz zwischen Cerrejón und den Gemeinschaften. Eine weitere Maßnahme ist das Nichtaushändigen von wichtigen Unterlagen, welche, wenn überhaupt, nur gegen Bezahlung an die Betroffenen übergingen. Nach der Umsiedlung wurden seitens Cerrejóns Projekte für die Umgesiedelten geschaffen, welche dabei helfen sollten, ein geregeltes Einkommen zu garantieren. Dies geschieht jedoch nicht in einem angemessenen Rahmen, denn der Verkauf von Ernten kann nur durch immense Unterstützung von Cerrejón funktionieren. Ebenso sollten Gäste für neu entstandene Restaurants gesichert werden (vgl. Rothen et al. 2013). Doch wie wir in Roche gesehen und gehört haben, mussten diese zum Teil bereits wieder geschlossen werden. Während die Mine Cerrejón pro Tag mehrere Millionen Liter Wasser benötigt, stehen der Bevölkerung von Roche lediglich 0,7 Liter Wasser pro Person zu Verfügung. Obwohl Cerrejón sich dazu verpflichtete, eine angemessene Trinkwasserversorgung zu gewährleisten, ist dies nicht im geforderten Maße geschehen, wie bereits in Kapitel 7.3.2.2 beschrieben. Hierbei geht es um die Nichterfüllung von Qualitäts- sowie auch Hygienenormen. Hauptursache für die Verletzung dieser Normen ist die schwache Anpassung der Umweltlizenzen seitens des Staates, denn nur mit dessen Hilfe kann eine gesicherte Existenz für die Bevölkerung entstehen (vgl. Arbeitsgruppe Schweiz Kolumbien 2018). Regelmäßigen Sprengungen der Mine Cerrejón sorgen dafür, dass die Umgebung durch Feinstaub belastet wird.

Abb. 7: Auch Straßen werden gewässert um Staubbildung zu verringern. (Eigene Aufnahme)

Dies ist an feinen Staubschichten in der ganzen Gemeinde festzustellen. Feinstaub ist ein Sammelbegriff für Staub, welcher nicht direkt zu Boden sinkt, sondern für eine gewisse Zeit in der Atmosphäre verbleibt. Mit seiner geringen Größe von unter 10 µm im Durchmesser, kann dieser gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen haben (vgl. Umweltbundesamt 2018a).  Während Feinstaub in der Größenkategorie von 10µm Durchmesser lediglich die Schleimhäute reizt, kann Feinstaub mit einem Durchmesser von 2,5µm bei Kindern zu Asthma führen. Noch kleinerer Feinstaub kann sogar über die Lungenbläschen in die Blutbahn gelangen (vgl. Umweltbundesamt 2018b). Laut der in Roche ansässigen Bevölkerung sind die Blätter der Bäume ein Indikator für zunehmende Verschmutzung durch Feinstaub.

Abb. 8: Feinstaubverschmutzung auf einem Limettenstrauch. (Eigene Aufnahme)

Wie in der Abbildung 7 zu sehen ist, weisen, am Beispiel eines Limettenbaums, die Blätter helle Flecken auf, welche hierdurch entstanden sein sollen. Neben diesem Indikator wurde uns die Schule gezeigt, welche ebenfalls von einer Staubschicht bedeckt war. Obwohl Messungen seitens Cerrejóns stattfinden, weichen diese teilweise stark von den Werten von der regionalen Umweltbehörde ab. Die Folge dessen sind gesundheitliche Probleme bei den Betroffenen. Besonders Kinder, Schwangere und ältere Personen sind die Risikogruppen. Die Forderung an dieser Stelle muss eine sorgfältigere Analyse der Luftqualität sein (vgl. Arbeitsgruppe Schweiz Kolumbien 2018).

Durch die ausgeführte Problematik, welche Roche und Cerrejón haben, wird die Schwierigkeit von Umsiedlungsprozessen treffend dargestellt. Der Konzern vertritt hierbei seine Interessen und bringt diese mit aller Härte durch. Dass Menschen dabei zu Schaden kommen, wird nur zweitrangig betrachtet. Gewalt und Schikane sind Methoden, welche Menschen daraufhin umsiedeln lassen.

Abb. 9: Nach Angaben der Bewohner*innen wird Cerrejon den eigenen Prinzipien mit denen sie werben, nicht gerecht. (Eigene Aufnahme)

Wäre an dieser Stelle eine faire Umsiedlung vorgenommen worden und die Bedürfnisse der Menschen berücksichtigt worden, ließe sich anders darauf schauen. Jedoch findet diese gar nicht erst statt. Kulturelles Gut geht in Folge solcher Prozesse verloren, so können Friedhöfe und andere kulturelle Stätten nicht umgesiedelt werden. Eben so wenig wie die traditionelle Lebensweise (vgl. Cajar, Censat, Indepaz o.J.: 14). Resultierend aus der Umsiedlung, wird der Wunsch der Rückkehr immer größer, vor allem bei der älteren Bevölkerung (vgl. Rothen et al. 2013). Doch eine Rückkehr wird nicht möglich sein.

Forderungen der Gemeinde Roche

Der Vorsteher der Gemeinde erzählte uns von einigen Aktionen, die sie durchführen, um ihre Rechte einzufordern. Zum Teil haben sie sich mit anderen betroffenen Gemeinschaften zusammengeschlossen. Sie fordern unter anderem, dass der Bau beziehungsweise die Sanierung ihrer Häuser fortgesetzt und, dass, von Cerrejón unabhängige, Bodenuntersuchungen durchgeführt werden. Der Boden scheint, nach Ansicht der Bewohner*innen, für Bebauungen nicht geeignet zu sein. In einem Gerichtsverfahren wurde die Verletzung der Abmachungen durch Cerrejón festgestellt. Momentan läuft hier eine Berufung. Die Gemeinde Roche hat einen Antrag gestellt, dass der Konzern Cerrejón offiziell zugibt, dass die Umsiedlung ihres Dorfes gescheitert ist. Der Vorsteher der Gemeinde war 2009 zudem in Europa, um die Probleme der Gemeinde vor Ort zu nennen und anzuklagen. Zu der Zeit wurden in Deutschland sechs neue Kohlekraftwerke gebaut, die mit der Kohle von Cerrejón verfeuert werden sollten. Durch die Aufmerksamkeit des Vorstehers, haben die Besitzer der Kraftwerke sich dafür entschieden die Kohle von Cerrejón nicht für ihre Werke zu verwenden (vgl. Mitschriften 2019)

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