Die Rolle der afrokolumbianischen Frau

Die Rolle der afrokolumbianischen Frau

Die Rolle der afrokolumbiansichen Frau

„Wenn der Feminismus Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern will, dann fordern wir als schwarze Frauen Gleichberechtigung zwischen weißen, indigenen und schwarzen Frauen. Wir wollen in unserer kulturellen Diversität wertgeschätzt, aber als Frauen gleichberechtigt behandelt werden.– Aura Dalia Caicedo, Afrokolumbianerin, Aktivistin und Feministin (Boddenberg 2018).

Weiterführender Link zum Interview: https://www.deine-korrespondentin.de/von-rassismus-und-feminismus/

Abb. 6: Vorstellung des Bildvergleichs im ACCN. Eigene Aufnahme.

Rolle der Frau am Exkursionstag im ACCN

Bei unserem Besuch in der Asociación Cultural Casa del Niño – ACCN wurden uns zwei Bilder vorgestellt, mit denen im Unterricht mit Kindern bzw. Jugendlichen gearbeitet wird. Es wird als Bildvergleich zur Rolle der afrokolumbianischen Frau in der modernen Welt genutzt. Auf dem einen Gemälde sei eine traditionell, authentisch gekleidete afrokolumbianische Frau abgebildet, welche die traditionellen Werte repräsentiere. Das zweite Gemälde zeige eine modernisierte afrokolumbianische Frau, welche die modernen Werte repräsentiere. Im Unterricht werde die Unterrichtsreihe zur Rolle der Frau bei Afrokolumbianer*innen und Afrocaucaner*innen mit diesem Bildvergleich eingeführt. Dieser Bildvergleich werde mit der Frage an die Jungs eingeführt, welche dieser Frauen sie eher heiraten wollten bzw. welche sie eher zur Frau nehmen würden. An die Mädchen wird die Frage gerichtet, welche dieser beiden Frauen sie eher sein wollen würden. Welches sei das eher anzustrebende Bild einer Frau? Das Ziel dieser Diskussion solle die Verdeutlichung sein, wie wichtig es sei, sich die eigenen Wurzeln immer wieder in Erinnerung zu rufen. Diese Vorstellung, wie die Rolle bzw. das Auftreten einer Frau wahrgenommen und besonders an die nächste Generation weitergegeben wird, hat bei unserer Exkursionsgruppe zu einigen Diskussionen geführt.
Einleitend soll darauf hingewiesen werden, dass der Prozess zur Gleichstellung der Frau an kaum einem Ort auf der Erde abgeschlossen ist und Kolumbien hier nicht als negatives Beispiel dargestellt werden soll. Auch in Deutschland ist der Prozess zur Gleichstellung der Frau noch lange nicht abgeschlossen. Wichtig ist aber das weltweite Bewusstsein darüber, wie Frauen wahrgenommen und wertgeschätzt werden.

Rolle der Frau in Kolumbien

Im Folgenden soll sich zunächst auf die Rolle der Frau in Kolumbien bezogen werden, um folgend einen kleinen Einblick in die Rolle der afrokolumbianischen Frau erlangen zu können.
Seit der Verfassung 1991 haben Frauen in Kolumbien mehr Rechte als in der Vergangenheit. Die Gleichstellung von Männern und Frauen rückte in den Vordergrund. „Festgeschrieben wurden in der Verfassung von 1991 folgende Gleichstellungsrechte: das allgemeine Recht auf Gleichheit und das Verbot von Diskriminierung (Art. 13); das Recht von Frauen, politische Ämter auszuüben und die Verantwortung der Politik, ihnen Zugang zu diesen zu verschaffen (Art. 40); die Gleichberechtigung von Frauen innerhalb von Ehen und Paarbeziehungen (Art. 42) sowie der besondere Schutz schwangerer Frauen, junger Mütter und weiblicher Familienoberhäupter (Art. 43)“ (Huhle 2017: 245). Trotz der offiziellen Festschreibung haben Frauen nach wie vor mit zusätzlichen Problemen zu kämpfen. Weiterhin seien Frauen unterrepräsentiert, haben mit mehr Diskriminierung zu kämpfen als Männer und seien häufiger innerfamiliärer Gewalt ausgesetzt, sowie Gewalt, die sich aus dem politischen Konflikt ergebe. Zudem haben sie bisher ungenügenden Zugang zur Bildung und werden in wenigen Teilen der Gesellschaft gleichberechtigt (vgl. Noekel 2017: 61ff). Unter anderem wird davon ausgegangen, dass eine Unterordnung der Frau unter anderem Folge des Konfliktes sei, da Krieg auch gesellschaftliche Wertesysteme und individuelle Verhaltensweisen beeinflusse und es zusätzlich zu einem hohen Anteil an häuslicher Gewalt gegen Frauen komme (vgl. Rieckmann 2014: 1203). Es „wurden mehr als 41.000 Frauen im Alter zwischen 13 und 49 Jahren aus 230 Distrikten – den kolumbianischen Regierungsbezirken – befragt.  Dabei gaben je nach Distrikt bis zu 20 Prozent der in einer Partnerschaft lebenden Frauen an, in den zurückliegenden zwölf Monaten Opfer häuslicher Gewalt geworden zu sein“ (ebd.: 1204).

Durch die erst späte Zuschreibung der Rechte für Frauen, scheinen diese nach wie vor eine untergeordnete Rolle zu haben und traditionelle Rollenbilder scheinen noch festgeschrieben zu sein. Auch die konfliktgeprägte Gesellschaft erschwert die Gleichstellung. Dennoch konnten Frauen inzwischen schon mehr Rechte erlangen, es ist eine Entwicklung zur Gleichstellung der Frau zu erkennen, die voranschreitet. In einigen Situationen konnten wir als Exkursionsgruppe einen Einblick in die Position der Frauen erhaschen. Natürlich nur unter subjektiven Bedingungen und in einzelnen Augenblicken, die als Momentaufnahme dienen können. Dennoch halte ich es für wichtig diese darzustellen, da dies einen weiteren Blickwinkel über die Rolle der Frau ermöglicht. Zum einen wurde an den verschiedenen Stationen der Exkursion immer wieder betont, wie wichtig eine Gleichberechtigung der Geschlechter ist, und dass die Möglichkeiten der Frauen ausgebaut werden müssen. Zum Teil allgemein und zum Teil mit konkreten Ansätzen, wie beispielsweise ein prozentualer Anteil an Frauen als Führungskräfte. Trotzdem sprachen an den meisten Orten Männer mit uns, während wir das Essen meistens von Frauen serviert bekamen, was auf ein konservatives Bild der Rollenverteilung schließen lässt. Es kam zu einigen Situationen, in denen unsere Gruppe konkret die Frauen ansprach und diese zu Wort kamen. Teilweise waren diese Antworten sehr kurz, knapp und teilweise unverständlich. Dies kann zum einen daran liegen, dass das Wort kurzfristig und überraschend an die Frauen gegeben wurde, aber eventuell auch daran, dass Frauen es weniger gewohnt sind, ihre persönliche Sichtweise zu teilen. An dieser Stelle kann allerdings nur spekuliert werden, dennoch fiel es uns auf.

Rolle der Frau in afrokolumbianischen Gemeinschaften

Wie aus dem einleitenden Zitat dieses Beitrages bereits deutlich wird, stehen afrokolumbianische Frauen nicht nur vor dem Problem der nichtvorhandenen Gleichstellung zwischen Mann und Frau, sondern grundlegend vor der Herausforderung der nichtvorhandenen Gleichstellung zu mehreren sozialen Gruppen Kolumbiens. Es zeigt, dass es viele Ungleichheiten zwischen den sozialen Gruppen gibt, zwischen denen vorerst Gleichheit geschaffen werden muss, bevor die afrokolumbianische Frau gleichberechtigt zu Männern ist. Gleichzeitig soll die kulturelle Diversität bestehen bleiben und wertgeschätzt werden.

„In Kolumbien leben etwa 10 bis 11 Millionen Schwarze. Sie bilden die am stärksten isolierte, diskriminierte und benachteiligte Bevölkerungsgruppe des Landes. […] In den letzten Jahrzehnten litten die Afrokolumbianer insbesondere unter der massiven Vertreibung aus ihren angestammten Gebieten in der Pazifikregion“ (Weber 2009).

„Indigene Frauen erfahren […] häufig Mehrfachdiskriminierung. Hier kommt das Konzept der Intersektionalität zum Tragen, das heißt die Überschneidung verschiedener Formen von Diskriminierung in einer Person. Das Gleiche gilt natürlich auch für Männer“ (Arloth & Seidensticker 2011: 6).  „Schwarze Frauen erleben multiple Formen von Gewalt: Sie haben geringe Möglichkeiten, einen Zugang zu Bildung zu bekommen, einen würdevollen Arbeitsplatz zu erhalten. Das hängt vor allem mit wirtschaftlicher Ungerechtigkeit und mit dem Geschlecht zusammen“ (Boddenberg 2018).  Diese Aussage bestätigen auch die Mitarbeiter des ACCN. Ihnen zufolge haben es afrokolumbianische Frauen besonders schwer, da sie unter der Mehrfachdiskriminierung leiden. Sie seien Frauen, afro und arm. Oftmals seien Frauen vom Machismo betroffen, wie uns im ACCN berichtet wurde. Sowohl im Cauca als auch in ganz Kolumbien. Durch den Konflikt werden viele männliche Bezugspersonen wie Ehemann, Brüder und Väter getötet, hierdurch falle die gesamte Arbeit als Hausfrau, alleinerziehende Mutter und Verdienerin auf die Frauen zurück. Selbst wenn der Ehemann noch vor Ort sei und Arbeit übernehmen kann, sei die Rolle der Frau festgeschrieben auf den Haushalt und die Kindererziehung, was aber oft nicht als Arbeit angesehen und somit mit zu wenig Respekt behandelt werde. Dies führe zu einer belastenden Situation für alle, aber besonders für die Frauen. Dieser Situation solle entgegengewirkt werden.
Noeckel bestätigt dies und zeigt auf, dass es in manchen Regionen Veränderungen der Situation gibt. „Die Situation der Frauen allgemein und der Frauen im ländlichen Raum und Afrokolumbianerinnen im Speziellen ist nach wie vor prekär, sie werden diskriminiert, sind unterrepräsentiert und gehören zu den Ärmsten der Armen. Es herrscht viel Gewalt gegen Frauen, innerfamiliäre als auch im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt und Frauen und Kinder stellen die größte Anzahl der Binnenvertriebenen im Land und sind Hauptleidtragende des Konflikts. Sowohl das Friedensabkommen als auch Organisationen wie Mujeres Rurales Colombianas, AMUAFROC und die Vereinten Nationen setzen sich für eine Verbesserung der Lage der Frauen ein und haben bereits viele Maßnahmen ergriffen“ (Noeckel 2017: 61). Auch im ACCN wird in einem der sieben Arbeitsprojekte im Projekt der Frauen und Gender Entwicklung an der Verbesserung der Rolle der Frau gearbeitet. Denn laut ihnen leiden die Frauen am meisten unter Diskriminierung. Um einen Rückbezug auf unsere Wahrnehmung der Rolle der Frau herzustellen, soll die konkrete Situation vor Ort mit Blick auf die Rollenverteilung dargestellt werden. Hierbei handelt es sich um eine subjektive Sicht, wie ich die Situation wahrgenommen habe. Wir kamen in Kontakt mit zwei Frauen, die eine ist Mutter und Unternehmerin. Sie stellt ihre eigene Marmelade aus einer traditionellen Frucht her und möchte diese selbstständig vermarkten und zu einem größeren Unternehmen werden lassen. Sie hat uns ihre Marmelade und ihren Unternehmensplan sehr selbstbewusst und selbstsicher vorgestellt. Eine weitere Frau, die dem Gespräch bis dahin nur passiv gefolgt war, wurde auf ihre Rolle als weibliche Person in der Gemeinschaft angesprochen und sollte diese kurz darstellen. Sie gab einen kurzen, unsicher wirkenden Redebeitrag, der von den spanisch sprechenden Teilnehmenden unserer Exkursionsgruppe kaum verstanden wurde. Während des Mittagessens erhielten wir unsere Mahlzeit unter anderem von Männern, die sich um uns kümmerten, was diese Gemeinschaft von den anderen unterschied, die wir während der Exkursion besuchten.

Organisationen, die sich für die Rechte von (Afro-)Kolumbianer*innen einsetzen

Trotz oder vor allem aufgrund dieser mehrschichtigen Probleme scheint den Problemen der afrokolumbianischen Frau entgegengewirkt zu werden und werden diese auch als ernstzunehmende Ungerechtigkeiten wahrgenommen. Es gibt verschiedene Organisationen, die sich für die Rechte (afro-)kolumbianischer Frauen einsetzen.

Das Netzwerk Red de Mujeres Afrolatinoamericanas, Afrocaribeñas y de la Diáspora (Netzwerk afrolateinamerikanischer und afrokaribischer Frauen und der Diaspora) versuche „Einfluss auf die regionale und nationale Politik zu nehmen, um eine solidarische Gesellschaft ohne Diskriminierung und Rassismus zu gestalten. Wir wollen nicht nur in unseren jeweiligen Ländern sichtbar sein, sondern auch auf internationaler Ebene bei allen Themen, die uns als afrolateinamerikanische Bevölkerung betrifft – besonders uns Frauen. So wollen wir unsere Präsenz, unsere Träume und Forderungen sichtbar machen“ (Boddenberg 2018).

Fazit

Die Darstellung konnte nur einen allgemeinen Einblick geben, wie die Situation in der Gesellschaft ist, unter teilweise subjektiven Eindrücken. Es ist nicht auf alle Frauen, Gemeinschaften und Gruppen Kolumbiens oder afrokolumbianische Gemeinschaften zurückzuführen. Sicherlich gibt es auch viele Positivbeispiele, die nicht mit der hier getroffenen Darstellung der Situation übereinstimmen. Dennoch ist die gesellschaftliche Hauptsituation von dem hier dargestellten Bild der Frau und der damit verbundenen Problemen geprägt, befindet sich aber als aktuelles und wichtiges Thema im Diskurs, was zeigt, dass es wahrgenommen, ernstgenommen und zum Teil schon jetzt, hoffentlich in Zukunft noch mehr, bearbeitet und für die Gleichberechtigung der (afro-)kolumbianischen Frau gekämpft wird. Wie zu Beginn erwähnt, ist der Prozess zur Gleichstellung der Frau an kaum einem Ort auf der Erde abgeschlossen. Auch in Deutschland gibt es bis heute eine Geschlechterungleichheit, der entgegengewirkt werden muss. Die Gleichheit aller Menschen und das Verbot von Diskriminierung zählt zu den Menschenrechten (vgl. UN-Vollversammlung 1948: www.un.org), weshalb es wichtig ist, die Geschlechtergleichstellung als ernstzunehmende Aufgabe wahrzunehmen und an der Erfüllung dieser aktiv zu arbeiten, was sowohl in Kolumbien als auch in Deutschland aktuell geschieht.

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