„Territories of Difference“

„Territories of Difference“

 

Abb.1: Monserrate. Eigene Aufnahme

…heißt eines der bekanntesten Bücher des kolumbianischen Anthropologen Arturo Escobar − und so war auch die Exkursion betitelt, die Studierende und Dozent*innen des Instituts für Geographie der Universität Hamburg gemeinsam mit Studierenden und Dozenten der Universidad Externado de Colombia im März 2019 durchführten. Die Idee, eine gemeinsame Exkursion in Kolumbien zu organisieren, beruhte auf der Einladung von Flavio Bladimir Rodríguez Muñoz, Geographieprofessor an der Universidad Externado, mit dem seit einiger Zeit ein intensiver akademischer und freundschaftlicher Austausch besteht. Darüber hinaus wurden wir 2017 von einigen Kohleaktivist*innen aus La Guajira, die aufgrund des G20-Gipfels in Hamburg waren, dazu eingeladen, sie in La Guajira zu besuchen und uns ein eigenes Bild von der Situation rund um den Kohletagebau El Cerrejón zu machen. Ausgehend von diesen Einladungen und Kontakten versuchten wir mit Hilfe von zahlreichen Besuchen, Begegnungen und Diskussionen mit ganz unterschiedlichen Akteuren einen Eindruck von den verschiedenen territories of difference zu erhalten. Von diesen Erfahrungen und vor allem von unserer ganz eigenen Sichtweise erzählt dieser Blog. Dabei geht es nicht darum, neutrale Fakten über ein Land im Umbruch darzulegen, sondern vielmehr darum, von unseren Eindrücken, Irritationen und Fragen zu berichten. Durch die Übersetzungen der einzelnen Beiträge ins Spanische möchten wir diese auch für Menschen in Kolumbien zugänglich machen und insbesondere auch denjenigen, denen wir begegnet sind, von unseren Eindrücken und unserem Verständnis berichten. Viel zu oft wissen diejenigen, die bei Exkursionen besucht oder in Forschungsprojekten befragt werden, nicht, was aus diesen Begegnungen später hervorgeht. So ist dieser Blog auch ein Versuch, eine solche Einseitigkeit aufzubrechen.

Wenn nun Teile der FARC ankündigen, den bewaffneten Kampf wieder aufzunehmen, so ist das eine akute Bedrohung für den durch das Friedensabkommen von Havanna angestoßenen Friedensprozess in Kolumbien. Wenn überhaupt in den deutschen Medien darüber berichtet wird, dann herrscht ein großes Unverständnis an diesem Schritt vor. Doch während seit dem Friedensvertrag über 500 Aktivist*innen und ca. 150 ehemalige Kämpfer*innen der FARC ermordet wurden und Paramilitärs wieder auf dem Vormarsch sind, unternimmt die Regierung des rechtskonservativen Präsidenten Iván Duque nichts, um ihre Versprechen einzuhalten und untergräbt den Friedensvertrag mit zahlreichen Gesetzesvorhaben. Nicht zuletzt durch unseren Besuch in dem Wiedereingliederungscamp La Elvira und den Berichten der ehemaligen FARC-Kämpfer*innen über ihre aktuelle Situation, unseren Besuch bei der Minga im Cauca und den Kampf für die Einführung der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden (JEP) oder durch die vielen, teils erschütternden Berichte von Aktivist*innen über ihre bedrohliche Situation haben wir ein sehr viel differenzierteres Bild von den komplizierten Verhältnissen in Kolumbien erhalten. Auch wenn unsere Begegnungen und Diskussionen oft nur Momentaufnahmen waren und unsere Berichte nur einen kleinen Einblick in die Situation vor Ort gewähren können, so können sie vielleicht doch zu einer Erweiterung der hierzulande gängigen Narrative und Sichtweisen beitragen. Dabei geht es uns nicht nur um Konflikte, Widerstände und Kämpfe in Kolumbien. Vielmehr lag ein Fokus der Exkursion immer auch auf der Frage, inwiefern globale Verwobenheiten und die (bzw. unsere) imperiale Lebensweise des Globalen Nordens immer auch Teil der lokalen Konflikte sind. So haben wir insbesondere anhand der Auseinandersetzungen um den Steinkohleabbau in La Guajira die postkolonialen Bedingungen des kolumbianischen Extraktivismus diskutiert.

Und nicht zuletzt ist dieser Blog auch ein Versuch, unsere Reflexionen über die Sinnhaftigkeit von Exkursionen in Ländern des Globalen Südens, über unsere Wahrnehmungen, Emotionen, unsere eigene Rolle und Positionalität und schließlich auch unsere Reflexionen über die (Un)Möglichkeit des Schreibens und Berichtens von unseren Erfahrungen transparent zu machen. Dafür haben alle Teilnehmer*innen zu vier zentralen Reflexionsfragen Stellung genommen. In dem Abschnitt ‚Reflexionen‘ sind einige, auch ganz persönliche Antworten dazu nachzulesen.

Eine solche Exkursion kann ohne die Hilfe und tatkräftige Unterstützung sehr vieler Menschen niemals durchgeführt werden. So wollen wir uns zuallererst bei all jenen bedanken, die uns bei sich aufgenommen haben, uns ihre Zeit geschenkt und Erfahrungen und Geschichten geteilt haben. Wir hoffen, sie können sich in den Berichten wiederfinden und freuen uns über ihre Rückmeldungen. Darüber hinaus möchten wir uns vor allem bei Flavio Bladimir Rodríguez Muñoz, Ani Dießelamann, Jakeline Epiayu, Samuel Arregocés und Jochen Schüller bedanken. Ihr Rat, ihre Kontakte und Ideen waren vor allem in der Vorbereitung zur Exkursion enorm wichtig und hilfreich. Und nicht zuletzt geht ein großes Dankeschön an all die vielen, unerwähnten Unterstützer*innen, die für uns gekocht, uns gefahren, uns aufgenommen usw. haben. Darüber hinaus möchten wir uns auch beim PROMOS-Programm des DAAD für die finanzielle Unterstützung der Exkursion bedanken − und wer weiß, vielleicht ist auch eine Exkursion kolumbianischer Studierender in Deutschland möglich und finanzierbar.

Martina Neuburger & Tobias Schmitt