Besuch bei Sintracarbon
Besuch bei Sintracarbon
An unserem 13. Exkursionstag besuchten wir die Gewerkschaft Sintracarbon. Sintracarbon ist die größte Gewerkschaft in La Guajira. Insgesamt umfasst sie 2.000 Gewerkschafter*innen. In Kolumbien wurden in den letzten 20 Jahren insgesamt 2.500 Gewerkschafter*innen zu Opfern von Morden, bedingt durch einen nach wie vor beständigen Konflikt (dazu mehr in Kapitel 8.6. „Stop murdering social leaders“) (vgl. Amnesty-International o.D.). Die Gewerkschafter*innen von Sintracarbon erheben ihre Stimme gegen die Ungerechtigkeit, die in La Guajira durch den Kohleabbau der Mine El Cerrejón herrscht. Dabei setzen sie sich vor allem für die Rechte der Mitarbeiter*innen der Mine ein (vgl. Sintracarbon). Umweltverschmutzungen, gesundheitliche Schäden, Umleitungen von lebenswichtigen Flüssen sind dabei nur einige Aspekte, die die Miene zur Folge hat. Hinzu kommt der Fakt, dass die abgebaute Kohle fast ausschließlich für den Export bestimmt ist.
Wir hatten die Möglichkeit, mit mehreren Mitarbeitern und ehemaligen Mitarbeitern der Miene von El Cerrejón in La Guajira zu sprechen, die der Gewerkschaft Sintracarbon angehören. Wir hatten viele Fragen an die Menschen, die uns alle offenherzig beantwortet wurden. Unter anderem hat uns interessiert, wie das Leben als Gewerkschafter*in ist. Einer der Männer erzählte uns, dass sie sich in einer schwierigen Situation befänden. Sie würden verfolgt und stünden in einem ständigen Konflikt mit dem kolumbianischen Militär und paramilitärischen Gruppen. Durch den Friedensvertrag seien die Ursachen nicht verschwunden. Es herrsche ein Klassenkampf und es sei schwierig, die eigenen Interessen zu verteidigen. Die Gewerkschafter seien überzeugt davon, dass Kolumbien einen echten Frieden benötige, denn hierbei ginge es um Land und Wasser. Zwei wichtige Güter, die besonders in der Region La Guajira einen besonders hohen Stellenwert haben.
Ein ehemaliger Mitarbeiter der Mine El Cerrejón berichtete uns von seiner Zeit als Arbeitskraft in der Miene. Er erzählte uns, dass es früher in der Region kaum andere Möglichkeiten gegeben habe, als in der Miene zu arbeiten. In den 1980er Jahren waren ca. 86% der Einwohner*innen? aus Guajira in der Landwirtschaft beschäftigt. Heute sei es genau andersherum. Heute seien ca. 96% in der Kohlemiene von El Cerrejón beschäftigt. Er selber erkrankte im Laufe der Jahre an mehreren Krankheiten, die, wie er selbst sagte, durch die Arbeit in der Kohlemiene ausgelöst wurden. Unter anderen litt er an einer Gastritis, Lungenproblemen, Gehörschäden, Knieproblemen und Rücken- und Schulterproblemen. Seine Beschwerden im Rücken seien durch die Vibrationen der Maschinen, die höher als erlaubt seien, ausgelöst worden. Durch den ständigen Schichtwechsel von Tag- zu Nachtschicht, wobei eine Schicht dort 12 Stunden andauere (der Arbeitsweg nicht eingerechnet), würden viele psychische und physische Krankheiten hervorgerufen werden. 150 Mitarbeiter*innen der Miene haben sich bereits aufgrund von Arbeitskrankheiten frühzeitig pensionieren lassen. Jedoch gebe es in der Umgebung von Guajira keine Ärzte, die die Krankheiten der Mitarbeiter*innen als eindeutige Folgen der Arbeit in der Miene ausschreiben. Laut Aussage des ehemaligen Mienenarbeiters habe El Cerrejón einen Arzt für unglaubwürdig dargestellt, der den Zusammenhang zwischen der Arbeit in der Miene und den aufgetauchten gesundheitlichen Folgen bestätigt habe. Verschiedene Ärzte aus anderen Ländern und Studien belegten allerdings, dass ein klarer Zusammenhang bestehe. So sagte kürzlich ein Arzt aus den USA vorher, dass La Guajira eine Epidemie einer Lungenkrankheit, die nach 40 Jahren ausbreche, ausgelöst durch das bei einer Sprengung freigetretene Silizium, haben werde. Es gebe bereits 14 Fälle dieser bestimmten Krankheit in Guajira. Die Substanz Silizium könne von dem Luftfluss 45 km weit getragen werden. Dies könne ein Grund dafür sein, dass Länder wie Deutschland trotz des eigenen Vorkommens Kohle importieren – um das Gesundheitsrisiko der eigenen Bevölkerung zu minimieren. Eine Studie aus Spanien beweist, dass Menschen, die in der Nähe einer Kohlemiene wohnen, ein prägnant höheres Krebsrisiko aufweisen. Der Mann erzählte uns dazu, dass in den umliegenden Comunidades 4-5 Menschen pro Monat dem Krebs erliegen. Zum Vergleich sagte er uns, dass früher die Statistik bei einer Person pro Jahr lag. Die Umleitung von Flüssen ist ein weiterer Aspekt, von dem uns die Gewerkschafter erzählen. Seit Inbetriebnahme der Miene sind 22 kleinere Flüsse und 8 Lagunen verschwunden. Weitere Flüsse, wie der Fluss Arroyo Bruno, sollen zugunsten der Miene umgeleitet werden. Die Gewerkschafter betonen ihren Einspruch gegen die Umleitung von überlebenswichtigen Wasserquellen für viele Gemeinden rund um die betroffenen Flüsse.
Quelle: Mündliche Erzählungen der Gewerkschafter von Sintracarbon.